Blinded by the Light Grossbritannien 2019 – 118min.

Filmkritik

Grüsse aus Luton

Théo Metais
Filmkritik: Théo Metais

Der auf wahren Begebenheiten basierende Film Blinded by the Light feierte im Januar letzten Jahres seine Weltpremiere am Sundance Film Festival und erzählt die Geschichte von Javed, einem jungen Pakistaner, welcher davon träumt, Schriftsteller zu werden, und der von den Liedern von Bruce Springsteen beflügelt wird.

1987, im Grossbritannien von Margaret Thatcher: Javed (Viveik Kalra), ein 16-jähriger in England aufgewachsener Pakistaner, lebt im Stadtteil Luton im Noden Londons. Sowohl sein Vater als auch die Skinheads aus dem Quartier stellen für den Teenager tagtäglich eine Belastung dar. Er träumt davon Schriftsteller zu werden – doch sein Vater missbilligt diese angebliche Laune. Als ihm ein Freund einige Bruce Springsteen-Bänder leiht, verändert das Javed für immer: Die Hymnen der Arbeiterklasse und die Worte Springsteens scheinen ihm aus der Seele zu sprechen und ermutigen ihn, seinen eigenen Weg zu finden, sich dem Rassismus entgegenzustellen und die starren Ideale seines Vaters zu hinterfragen.

Im Jahr 1993 präsentierte die Regisseurin Gurinder Chadha in Locarno Bhaji on the Beach und führte unter anderem Regie für Kick it like Backham, What's Cooking? oder auch den Film Viceroy's House, der 2017 an der Berlinale gezeigt wurde. Gurinder Chadha, eine ehemalige BBC-Reporterin und Dokumentarfilmerin, ist eine produktive, aber im Hintergrund arbeitende Regisseurin, die anhand der berührenden Figur Javed hier die nicht immer reibungslose jugendliche Emanzipation erforscht. Draussen ruft Margaret Thatcher zum Konservatismus auf, die Mittelschicht müht sich in der Fabrik ab, ebenso Javeds Vater – bis sie ihn entlassen. Er hatte einen Traum für seine Familie und floh aus Pakistan nach England, und Javed findet sich nun im Zentrum des verfluchten väterlichen Traums wieder, während ihm die Skinheads der Nachbarschaft ins Gesicht spucken.

Blinded by the Light ist auf visueller Ebene eine grausame Plattitüde – man denke insbesondere an die Texte Bruce Springsteens, die wie ein Slogan in einer Anzeige auf der Grossleinwand erscheinen. Der künstlerischen Leitung von Grant Bailey fehlte es wohl an Exzentrik, um mit der musikalischen Vielfalt mitzuhalten. Der Eindruck einer flachen Rekonstruktion entsteht – wie etwa im Falle der drei Punks, die auf einem Trabanten in Atomic Blond sitzen und mit ihren Lederjacken nur gekünstelten Punk verströmen. Blinded by the Light entspricht schlicht keiner authentischen Darstellung der damaligen Zeit und Ästhetik.

Der Film von Gurinder Chadha ist in der Tat der Archetyp einer Seifenoper, die von einer wahren Geschichte inspiriert ist. Ein 100%iger Wohlfühl-Edelstein, der in der Lage ist, die Klischees des Genres (bis wir die Fotos des echten Javed mit Bruce Springsteen sehen) mit der Geschwindigkeit eines Schweins bei Hayao Miyazaki zu verschlingen.

Dass sich Blinded by the Light nichtsdestotrotz gut geniessen lässt, ist sicherlich auch auf die ansteckende, sympathische Art des Casts zurückzuführen. An erster Stelle sind hier zwangsläufig Viveik Kalra zu nennen sowie die eindringlichen Szenen seiner Eltern, Kulvinder Ghir und Meera Ganatra. Gurinder Chadha changiert dramaturgisch geschickt zwischen den Träumen der Eltern und der Emanzipation eines Jugendlichen und diskutiert schlussendlich beide Themen. Eine universelle Komponente trifft auf soziale Fragen, die der Regisseurin am Herzen liegen: Eine Komödie als Kontrapunkt zum gewöhnlichen Rassismus. Eine Komödie als Kontrapunkt zum gewöhnlichen Rassismus. Blinded by the Light verweist auf eine ganz eigene Art und Weise auf das erhabene What Will People Say des Norwegers Iram Haq. Auch wenn Blinded by the Light dem Schwung von Bruce Springsteen viel (wirklich viel) verdankt, bleibt der Film von Gurinder Chadha eine elegante Überraschung.

21.08.2019

3.5

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 5 Jahren

Bemerkenswert subtile Unterschiede im Rassismus: Pinkelnde und spuckende 'Einheimische' mobben Zugewanderte, Vaters Rat, sich an die Juden zu halten, weil diese erfolgreich seien, Rassismus unter andern Vorzeichen...


as1960

vor 5 Jahren

"Blinded By The Light" ist eine gelungene Culture-Clash Komödie mit viel Musik von Bruce Springsteen. Natürlich werden die Probleme des jugendlichen Pakistani mit sich und seiner Umgebung nur oberflächlich behandelt. Das sollte in einem Feel-Good-Movie auch nicht stören. Die stärksten Momente hat der Streifen eh in den Musical-ähnlichen Szenen. Vielleicht gibt es ja bald "The Boss - The Musical".Mehr anzeigen


Felix56

vor 5 Jahren

Bruce Springsteen yeah der Boss hat super Musik und die Texte sind genial! Gesellschaftakritisch mit Blick in die Familienstrukturen einer ganz anderen Kultur als die Europäische. Nach einer wahren Geschichte, die erahnen lässt, dass es in der Wirklichkeit noch etwas härter war, als es im Film gezeigt wird.Mehr anzeigen


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