Camille Frankreich 2019 – 90min.

Filmkritik

Eine Reise mit der Kamera ins «Herz der Finsternis»

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Sie war mutig, entschlossen, idealistisch – die französische Fotojournalistin Camille Lepage reiste mehrmals nach Zentralafrika und berichtete über den dortigen Bürgerkrieg. Sie starb im Mai 2014. Boris Lojkine hat ihrer Arbeit und Passion einen Spielfilm gewidmet.

In der Zentralafrikanischen Republik tobte ein Bürgerkrieg. Nachbarn wurden zu Feinden. Besessene Rebellen (Anti-Balaka) metzelten wahllos Muslim nieder, wollten sie ausrotten. Es herrschte Chaos und hemmungslose Grausamkeit, von der Welt wenig beachtet. Die französische Fotojournalistin Camille Lepage reiste um 2013/14 an Orte des Geschehens: ins «Herz der Finsternis». Sie sah, fotografierte und dokumentierte Sie war erschüttert, wollte die Welt wachrütteln. Sie engagierte sich, forderte politisches Engagement im Westen und Einsatz französischer Truppen.

1960 war die französische Kolonialherrschaft beendet worden. Doch das Land fand keine Ruhe, wurde immer wieder von Umstürzen, Militärrevolten, Gräueltaten und Kämpfen heimgesucht. Auf Übergriffe und Machtübernahme 2013 der islamischen Séléka folgten Gegenaktionen der Anti-Balaka. Im Dezember 2013 stimmte der UN-Sicherheitsrat einem verstärkten Einsatz des französischen Militärs zu.

Camille Lepage (Nina Meurisse) war vor Ort, dokumentierte mit ihrer Kamera blutige Vorfälle, trauernde Angehörige, entfesselte Rebellen und Antirebellen. Sie war nah dran, suchte in dieser Finsternis Licht, Hoffnung, Menschlichkeit. Sie riskierte viel, war auf Gedeih und Verderb jungen bewaffneten Männern ausgesetzt. So begleitete Camille als Sozius auf dem Motorrad einen kleinen Trupp von Kriegern und geriet in einen Hinterhalt.

Der Tod steht am Anfang und am Ende des Spielfilms Camille des Franzosen Boris Lojkine, der sich vehement um dokumentarische Nähe bemühte. Er verband Archivaufnahmen mit fiktiven Bildern und Camille-Fotos, mischte Fernsehaufnahmen mit inszenierten Szenen. Der Neuenburger Bruno Todeschini spielte einen Fotokollegen der Heldin und Michael Zumstein sich selbst. Er kannte Camille und war im Dezember 2013 in der Hauptstadt Bangui. Der Film, in der Zentralafrikanischen Republik gedreht, konzentriert sich auf die letzten Lebensjahre Camilles, zeigt den schmutzigen Krieg und die Arbeit der Fotojournalisten. Wir erleben die Geschehnisse weitgehend aus dem Blickwinkel der Fotografin.

Der Film birgt eine grosse Wirklichkeit und Wahrheit. «Ich möchte», unterstreicht der Filmer Lojkine, «dass die Bilder die Betrachter und Betrachterinnen dazu zwingen zu hinterfragen, was sie sehen, den Status der Bilder, die Art und Weise, wie wir Bilder des Krieges betrachten.» Insofern ist Camille auch ein Film über das Wahrnehmen und das Sehen. Nur eine Frage kann er auch nicht beantworten: Warum hat sich die historische Camille Lepage das angetan, wie konnte sie vom Krieg und den Menschen darin nicht lassen, war von Zentralafrika wie besessen? Camille wusste es selber nicht.

24.02.2020

4

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