CH.FILM

Fiancées Schweiz 2019 – 80min.

Filmkritik

Im sicheren Hafen

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Für ihren ersten Langspielfilm portraitiert die Schweizer Filmemacherin Julia Bünter drei junge Frauen unterschiedlichster Herkunft und Religion in der ägyptischen Metropole Kairo auf ihrem Weg in den Hafen der Ehe, hält ihre Wünsche und Sorgen fest.

Die Schauspielerin Batool, die aus wohlhabenden christlichen Kreisen stammende Marize und die Muslimin Randa haben eines gemeinsam: Sie sind alle drei verlobt und werden folglich in absehbarer Zeit in den Hafen der Ehe einlaufen. Fiancées begleitet die drei jungen Frauen und ihre Verlobten bei den Hochzeitsvorbereitungen im ägyptischen Kairo und legt sowohl deren Wunschvorstellungen bezüglich ihrer Zukunft als Ehefrau als auch deren Bedenken offen – vom Festlegen des zukünftigen Wohnortes bis hin zu Unsicherheiten bezüglich Sexualität.

Eine Sache wird dabei ziemlich bald offensichtlich: Die Fragen und Ängste, welche die drei Frauen während den Vorbereitungen für einen neuen Lebensabschnitt beschäftigen, gleichen sich – obwohl Batool, Marize und Randa auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Leben führen. So lehnt sich Randa gegen die konventionellen Vorstellungen und die traditionelle Rollenverteilung in ihrer muslimischen Familie auf, die mit dem christlichen Glauben aufgewachsene Marize macht sich Gedanken über die Hochzeitsnacht und sucht mit ihrem Verlobten einen Arzt auf, um sich für die ersten Monate ihrer Ehe die Pille verschreiben zu lassen, und die Künstlerin Batool versucht, ihre Karriere als Schauspielerin und ihre Beziehung zu ihrem Verlobten unter einen Hut zu bringen, was nicht immer ganz einfach scheint.

Julia Bünter fängt während den rund 80 Minuten einige sehr intime Momente ein, in denen sich die Sorgen und Ängste der jungen Frauen auftun. Oft betreffen diese den Balanceakt zwischen ihren eigenen Vorstellungen eines emanzipierten Lebens und den Erwartungen der noch immer sehr traditionell veranlagten Gesellschaft: So erfährt man zum Beispiel im Verlauf des Films, dass in Ägypten Verheiratete zusammenleben dürfen; vorher wohnt man zu Hause.

Diese Zerrissenheit zwischen Tradition und Moderne, denen die jungen Menschen in Kairo zwangsläufig ausgeliefert sind, legt der Film schön offen; auch ist er ein Plädoyer für die Emanzipation der Frau, die kultur-und religionsübergreifend zum Thema gemacht wird. Letztlich fehlt dem Film zwar das letzte Quäntchen Innovation oder auch Fleisch am Knochen – so kommt man nicht umhin, sich mehr Details zu ägyptischen Gesellschaftsformen zu wünschen oder aber den Frauen über die ganze Filmlänge so nahe zu kommen wie in jenen Momenten, in denen Konflikte wie kleine Flammen zu lodern beginnen. Dennoch ermöglicht Fiancées kurzweilig und augenöffnend den Blick in ein fremdes Land und eine fremde Kultur – und das ganz ohne eine zurzeit äusserst erschwerte Reise.

20.07.2020

3

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