Hotel Belgrade Russische Föderation 2019 – 106min.

Filmkritik

Auffahrtsunfall mit turbulenten Folgen

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Konstantin Statskiys erster Kinofilm für Erwachsene bewegt sich im weiten Feld zwischen Heist-Movie und romantischer Komödie.

Da ist zum einen Dusan, seines Zeichens Lokalmafioso zu Belgrad. Er hat viel Geld, einen devoten Assistenten, einen dümmlichen Sohn und eine borstige Tochter. Er hat zudem ein Flair für moderne Kunst und pflegt seine Sammlung mit Raubgut aufzustocken; eingelassen in den Boden des Saals, in dem in seinem Haus Joan Miros Triptychon „Blau I, II, III“ hängt, findet sich ein alter Brunnenschacht, dessen Bekanntschaft macht, wer sich Dusan widersetzt.

Da ist zum anderen Pawel, wohlerzogener Sohn aus reichem Hause. Er war einige Jahre in Moskau, hat inzwischen sein Erbe angetreten und betreibt in Belgrad das prestigeträchtige Hotel gleichen Namens. Er steht im Ruf eines Playboys und führt ein Leben in Saus und Braus.

Der Zufall und der Teufel, beziehungsweise die Drehbuchautoren wollen es, dass Pawel eines Tages zu später Stunde im Sportcabrio unterwegs in Dusans stehen gebliebenen PW prallt. Ginge dabei nicht Marcel Duchamps „Fontain“ in Brüche, wäre das bloss eine Bagatelle. So aber fordert Dusan Ersatz. Die 3 Millionen Euro, die er fordert, erscheinen Pawel für das in seinen Augen „altertümliche Urinal“ allerdings masslos überrissen.

Das ist der explosive Zünder eines Filmes, der in der Folge eine absurde Wendung nach der anderen nimmt, komische Situationen, groteske Pointen und Gags am laufenden Band auffährt und dabei – im wörtlichen wie übertragenen Sinne – zugleich auf mehreren Hochzeiten tanzt. Denn da ist zum einen Dusans Tochter Vedrana, die unbedingt heiraten möchte, um ihres Vaters Knute zu entfliehen. Da ist zum anderen die Russin Dasha, die vor einigen Jahren Pawels Herz brach, nun aber unverhofft in Belgrad auftaucht.

Turbulent drunter und drüber geht es in Hotel Belgrade, und anfänglich scheint vieles blosser Klamauk zu sein. Doch mit der Dauer entwickeln sich die stereotyp angerissenen Protagonisten zu liebenswerten Charakteren mit menschlichen Seiten. Auch gelingt es Konstantin Statskiy mit Leichtigkeit den Bogen zu schlagen von einer Heist-Klamotte – Hotel Belgrade beginnt mit einem an die «Ocean’s»-Reihe gemahnenden Einbruch im Museum für Moderne Kunst in Lissabon – zu einer wild-romantischen Provinzkomödie im Stil der Filme von Emir Kusturica. Voller Reminiszenzen auf die Filmgeschichte, ergötzlich im nebenbei geführten Diskurs über moderne Kunst, zudem mit einem schmissigen Soundtrack aufwartend, ist Hotel Belgrade eine köstliche Gaudi.

02.10.2020

4

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Kommentare

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margita_vujicic

vor 4 Jahren

Wunderbar


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