Inna de Yard Frankreich 2019 – 99min.
Filmkritik
Mitreissende Rhythmen und Texte, direkt aus dem Leben gegriffen
Peter Webber porträtiert in seinem Dokumentarfilm einige jamaikanische Reggea-Veteranen. Fast mehr als über Musik erfährt man dabei über eine Lebenshaltung und geistige Grösse.
Sagt man Reggea, denken die meisten Bob Marley. Doch der Urvater des Reggea ist – 1981 gestorben – Ken Boothe; Kiddus I, Cedric Myton, Winston McAnuff aber leben noch heute. Die meisten von ihnen wohnen nach wie vor in der Umgebung, in der sie aufgewachsen sind: in und um Kingston, Jamaika. Hier haben sie in den 1960er-und 1970er-Jahren, mit grossen Bands wie „The Congos“ gespielt, den einen oder anderen Hit gelandet: „Malcolm X“, „Crying Over You“, „Dance All Night“.
Obwohl es in den 90ern ruhiger um sie wurde, haben sie nie aufgehört Musik zu machen. Reggea, Ende der 60er auf Jamaika aus dem traditionellen Mento sowie den damals populären Ska und Rocksteady hervorgegangen, ist nicht nur ein Musikstil, sondern auch Ausdruck einer eng mit dem Rastafarianismus verbundenen Lebenshaltung und Protestkultur. Obwohl ihre Haare inzwischen ergraut sind, sind ihre Outfits noch heute auffällig bunt, nicht von ungefähr wird Kiddus I als Rasta-Dandy bezeichnet.
Nachdem der eine oder andere von ihnen vor einer Weile wieder aufzutreten begann, haben sie sich vor drei Jahren zusammengetan, um mit Vertretern einer jüngeren Generation einige ihrer alten Hits für ein Album („The Soul of Jamaica“) einzuspielen. Sich getroffen, gejamt, geprobt und aufgenommen hat man auf einer Terrasse in den Hügeln über Kingston, eben in einem Garten, „inna de yard“, wie das im jamaikanischen Slang heisst und das Projekt schliesslich genannt wurde.
Der Engländer Peter Webber (Girl With a Pearl Earring), selbstbezeichnet ein riesiger Reggea-Fan, hat das Unterfangen begleitet. Er war bei den Proben, den Aufzeichnungen dabei, hat ausgehend von den Sessions den einen oder anderen nach Hause begleitet, die Gruppe zum Teil auf Tournee begleitet; die Konzertmitschnitte im Film stammen von einem Auftritt im Le Trianon in Paris im Spätherbst 2017.
Inna de Yard erinnert in seiner Machart stark an Buena Vista Social Club (1999), ähnlich wie dieser lebt er ebenso stark wie von seiner mitreissenden Musik vom Charisma seiner Protagonisten und der Fülle der Geschichten, die diese zu erzählen wissen. Es ist eine Hommage an diese Menschen – viele Männer, einige wenige Frauen –, die oft hart durchs Leben gingen und deren Songs nichts anderes tun, als dass sie davon berichten; in „Raw Fisherman“, einem seiner grössten Hits, beschreibt Cedric Myton im Prinzip nur, wie er als Familienvater täglich zum Fischen fährt, damit seine Frau und seine immer zahlreichere Kinderschar etwas zu essen hat.
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