Les plus belles années d'une vie Frankreich 2019 – 90min.
Filmkritik
Vom Älterwerden und dem Schwelgen in der Vergangenheit
Claude Lelouche, ein Regisseur mit jahrzehntelanger Erfahrung, spricht in Les plus belles années d'une vie über die Liebe. Er malt das nostalgische Porträt eines mythischen Paares, gespielt von Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée.
Sie haben sich vor einer Ewigkeit kennengelernt. Ein Mann und eine Frau, die die Liebe erlebt haben, die wahre, die schillernde, die unerschrockene, die naive, die unerwartete. Heute, viele Jahre später, blickt der ehemalige Rennfahrer Jean-Louis Duroc (Jean-Louis Trintignant) sozusagen in den Rückspiegel und schwelgt in der Vergangenheit. Sein Sohn hilft seinem Gedächtnis bezüglich eines ganz speziellen Kapitels auf die Sprünge: Der Amour fou zu Anne (Anouk Aimée). Die Fortsetzung von Un homme et une femme und Un homme et une femme: vingt ans déjà verrät rund 53 Jahre später, wie die Romanze sich weiterentwickelt hat.
Der Film erzählt von der Angst, sich in Erinnerungen zu verlieren, von Gesichtern, die von den Emotionen der Zeit geprägt sind – von Trauer, von Reue, aber auch von freudigen Ereignissen. Das Leben ist vergänglich, aber nicht die Liebe, scheint uns Claude Lelouch sagen zu wollen. Er durchschreitet mit seinen drei Filmen das Leben über 53 Jahre hinweg, mit einem vom Alter gezeichneten, sichtlich erschöpften Jean-Louis Trintignant. In der Klinik durchlebt seine Figur Jean-Louis seine ereignisreiche Vergangenheit bis zur Ankunft von Anne, die auf Wunsch von Jean-Louis' Sohn zu Besuch kommt.
Diese grosse Rückblende eines Lebens, dieses Gleichnis, das uns von Gott entfernt, bevor der Tod uns ihm näher bringt. Lelouch zeichnet wie man es sich von ihm gewohnt ist ein sehr authentisches Bild des Lebens. Aber genau wie Jean-Louis fühlt man, wie sich eine gewisse Ermüdungserscheinung einstellt. Als Zuschauer sieht man zwei Persönlichkeiten zu, die auf einer Parkbank längst vergangene, verblasste Zeiten Revue passieren lassen, glücklich mit ihrer verrückten Vergangenheit. Die Zeit wirkt abgestanden, wie ein Liebesbrief, der in einem einzigen Atemzug geschrieben wurde. Und damit irritiert Les Plus belles années d'une vie auch: Weil er sich der Nostalgie komplett hingibt, in gewissen Momenten gar trieft vor Nostalgie.
Abgesehen von den Längen gibt es Momente, die direkt der Realität zu entspringen scheinen. Wie ein melancholisches Gedicht von Percy Bysshe Shelley, das eine verlorene Liebe zitiert, die in der Vergangenheit eingebrannt ist – so tief, dass selbst die Senilität sie nicht ersticken kann. Bedeutend ist die Vergangenheit; die Gegenwart zählt nicht mehr – ein Thema, dem sich zurzeit viele Filme widmen. Hier ergeben sich zwar einige schöne Szenen daraus, das Ganze fühlt sich aber erdrückend an, manchmal gar affektiert, was man als leiser Schrei Lelouchs einer gescheiterten Liebe oder einer künstlerischen Flaute interpretieren könnte.
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