Mid90s USA 2018 – 85min.

Filmkritik

Die Bretter, die die Welt bedeuten

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Wenn Schauspieler hinter die Kamera wechseln, ist oftmals Skepsis angesagt, denn nicht immer deckt sich das mimische mit dem inszenatorischen Talent. Schauspieler Jonah Hill ist jedoch einer, dem der Sprung auf den Regiestuhl mühelos gelingt, wie er nun mit Mid90s beweist.

In seinem Regiedebüt taucht Hill in das Los Angeles Mitte der 1990er-Jahre ein. Dort lebt der zierliche 13-jährige Stevie, der erfolglos um die Aufmerksamkeit seines grossen Bruders ringt. Ausser seiner Mutter hat er kaum Bezugspersonen, denn Freunde hat er auch nicht wirklich. Eines Tages trifft er eine Gruppe junger Skater, die ihn sofort beeindrucken. Er schnappt sich das ausrangierte, mit Dinosauriern verzierte Board seines Bruders, geht zum Skatepark und wartet darauf, mit den coolen Jungs bemerkt zu werden. Tatsächlich freundet er sich mit ihnen an und vor ihm öffnet sich eine Welt voller Partys, Mädchen, Alkohol und natürlich Skateboards. Doch so sehr er auch den Moment geniesst, muss er bald feststellen, dass er auch an die Zukunft denken muss.

Aufgrund der langen Liste an Komödien in seiner Filmografie hätte man denken können, dass Jonah Hill, der hier auch das Drehbuch geschrieben hat, eine alberne Komödie über die 90er-Jahre gedreht hat. Doch zum Glück tut er genau das Gegenteil. Mid90s ist keine kitschige Retro-Nostalgie, hier werden keine 90er-Jahre-Phänomene abgefeiert und Erinnerungskultur betrieben (auch wenn der Titel des Films so etwas vermuten lässt). Hill gelingt es, den authentischen Look der 90er-Jahre wieder aufleben zu lassen, ohne die Tamagotchi-Keule rauszuholen. Dies liegt vor allem daran, dass er die Dekade ernst nimmt und nicht nur zur blossen Stichwortgeber-Kulisse degradiert. Und er macht die Leidenschaft und das Lebensgefühl der damaligen Skaterszene deutlich spürbar.

Doch nicht nur inhaltlich gibt es einen Retrotrip, auch formal hat Hill seinen Film stilecht im 4:3-Format gedreht und mit Nine Inch Nails Sänger Trent Reznor und Komponist Atticus Ross einen coolen Soundtrack, fernab von jeglichem DJ-Bobo-Eurodance, zusammengestellt. Und auch wenn Mid90s streckenweise nicht verbergen kann, dass es ein Blick zurück ist, wodurch immer ein wenig Sentimentalität mitschwingt, ist das Coming-of-Age-Drama ein präzises und gelungenes Generationenporträt und eine Liebeserklärung an eine Subkultur.

02.04.2024

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Tschugger - Der lätscht Fall

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Landesverräter