Der Fall Richard Jewell USA 2019 – 131min.

Filmkritik

Zum Täter gemacht

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Nachdem Clint Eastwood in seinem letzten Film The Mule sowohl Regie geführt als auch die Hauptrolle gespielt hatte, nahm er für das nun startende Tatsachendrama Der Fall Richard Jewell „lediglich“ hinter der Kamera Platz. Sein neues Werk rekonstruiert die Auswirkungen des Bombenanschlags während der Olympiade in Atlanta, der das Leben eines einfachen Security-Mitarbeiters erschütterte.

Seinen Job als Wachmann auf einem Hochschulcampus geht Richard Jewell (Paul Walter Hauser) mit übertriebenem Eifer an und gerät dadurch wiederholt in Schwierigkeiten. Als er wegen einer erneuten Kompetenzüberschreitung entlassen wird, findet er im Umfeld der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta eine Anstellung bei einem Sicherheitsdienst. Während einer seiner Schichten im Centennial Olympic Park meldet Richard den anwesenden Polizisten einen herrenlosen Rucksack, in dem – wie sich rasch zeigt – eine Bombe steckt.

Weil Jewell so entschlossen gehandelt hat, können sofort erste Evakuierungsmassnahmen ergriffen werden. Eine gewaltige Katastrophe lässt sich dadurch verhindern, auch wenn die Explosion des Sprengsatzes ein direktes Todesopfer und weit über hundert Verletzte fordert. Jewell avanciert zunächst zum Helden, gerät dann aber ins Visier des FBI. Als er sich einer Hetzkampagne und unlauteren Ermittlungsmethoden ausgesetzt sieht, wendet er sich hilfesuchend an den Anwalt Watson Bryant (Sam Rockwell), den er Jahre zuvor kennenlernt hat.

Der Fall Richard Jewell ist die Geschichte eines etwas unbeholfen wirkenden Aussenseiters, der sich nach einer erfolgreichen Polizeikarriere sehnt und auch die Arbeit als einfacher Sicherheitsbediensteter mit staatstragendem Ernst ausfüllt. Wie eben dieser Mann von einem gefeierten Retter zu einem nach Aufmerksamkeit heischenden Attentäter gemacht wird, zeichnen Eastwood und Drehbuchautor Billy Ray (Captain Phillips) auf durchaus ergreifende Weise nach.

Obwohl es keine handfesten Beweise für seine Schuld gibt, versteifen sich die FBI-Beamten rund um den fiktiven Tom Shaw (Jon Hamm) sehr schnell darauf, dass Richard bestens ins Profil des frustrierten, geltungsbedürftigen Einzelgängers passt. Die Medien greifen dieses Bild begierig auf und setzen zu einer regelrechten Hetzjagd an, unter der auch Jewells Mutter Bobi (Kathy Bates) zu leiden hat.

Routiniert bebildert das Tatsachendrama die langsame Wandlung des Protagonisten, dessen anfängliches Verständnis für die Ermittlungen irgendwann einer kämpferischeren Haltung weicht. Mit Hilfe des von Sam Rockwell hemdsärmelig gespielten Rechtsbeistandes ringt Richard um sein Ansehen und seine Rehabilitierung. Die vor Ungerechtigkeiten und Verfehlungen strotzende Erzählung aus dem wahren Leben lässt den Zuschauer nicht kalt, verspielt durch einige grobschlächtige bis fragwürdige Drehbuchentscheidungen aber eine noch grössere Wirkung.

Zweifelhaft ist etwa die Darstellung der real existierenden Journalistin Kathy Scruggs (Olivia Wilde), die den FBI-Agenten Shaw für eine entscheidende Information mit sexuellen Gefälligkeiten ködert. Darüber hinaus lassen sich die Macher gelegentlich dazu verleiten, das tumbe, an den von Kevin James verkörperten Kaufhaus-Cop Paul Blart erinnernde Auftreten der Hauptfigur ins Lächerliche zu ziehen. Im Kontext der erschütternden und tragischen Ereignisse fühlen sich die bewusst gesetzten komischen Akzente eher unpassend an.

20.02.2024

3

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

RobertdeNirosta

vor 9 Monaten

Sehr unterschätzter Film über ein wahres Ereignis, mit dem es Altmeister Clint Eastwood wieder einmal gezeigt hat wo der Regie-Hammer hängt. Aus einem eher langweiligen Stoff so einen guten Film zu schmieden - Kompliment.
Die beteiligten Schauspieler können sich voll entfalten und liefern Leistungen wie es sie nicht oft zu sehen gibt. Gut dass Hollywood noch Filme produziert die sich angenehm vom 08/15 Einheitsbrei abheben!Mehr anzeigen


Schlosstaube

vor 3 Jahren

Der Film und die Story hat mich total gefesselt. Obwohl der Film sehr ruhig daher kam, war es spannend bis zum Schluss. Hervorragend!


tuvock

vor 4 Jahren

Sieben Jahre nach seinem Untertauchen und zwei Jahre nach seiner Verhaftung in Murphy, North Carolina, erhielt Rudolph am 8. April 2005 eine vierfache lebenslange Freiheitsstrafe im Bundesgefängnis ADX Florence im US-Bundesstaat Colorado. Eine vorzeitige Haftentlassung wurde ausgeschlossen. Nach einem Deal mit dem zuständigen Gericht verzichtete dieses auf die Verhängung der Todesstrafe, nachdem Rudolph den Ermittlungsbehörden seine restlichen Sprengstoffdepots offenbart hatte.Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Tschugger - Der lätscht Fall

Sauvages - Tumult im Urwald