Thalasso Frankreich 2019 – 93min.

Filmkritik

Zwei Kurkäuze gehen durch dick und dünn

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Wenn sich zwei Schwergewichte wie der provokante Literat Michel Houellebecq und der häufig ins Fettnäpfchen tretende Schauspieler Gérard Depardieu treffen, könnten die Funken sprühen. Doch in Guillaume Nicloux' schräger Kur-Komödie bleibt es beim Geplänkel und amüsanten Austausch über Gott und die Welt.

Der Titel deutet es an: Es geht auch um eine Kur im Sinne einer traditionellen Behandlung und Gesundung, mehrt aber um ein Zusammentreffen zweier komischer Käuze unter Kurbedingungen. Vorweg: Eine Thalasso-Behandlung basiert auf Meerwasser, kalt und warm, Meeresluft, Schlick, Sand usw. Nun begibt sich also ein gewisser Michel (Michel Houellebecq) zur Kur in Cabourg, Normandie, die ganz und gar nicht nach seinem Geschmack ist: kein Alkohol, keine Zigarette. Diät ist angesagt.. Das hält selbst das Enfant terrible der französischen Literatur nicht lange aus.

Zum Glück findet Houellebecq einen Bruder im Widerstandsgeiste, den Schauspielerstar Gérard (Gérard Depardieu). Zusammen umgeht man so manches Verbot, gönnt sich eine Flasche und mehr. Michel kann endlich einem verständigen Zuhörer seine Absicht, französischer Staatspräsident zu werden, vermitteln. Man tauscht sich aus, plaudert, referiert, philosophiert über Öffentliches und Privates, über Sein und Schein, kurz über Gott und die Welt. Die beiden Berufsprovokateure, hier der Literat, der gern aneckt, dort der Schauspieler, dem Putin näher ist als Macron, haben sich behaglich eingerichtet. Doch die intellektuelle Idylle wird gestört, als eine bekannte Bande auftaucht: Die einstigen Houellebecq-Entführer suchen Françoise (Françoise Lebrun), die Mutter, die mit ihrem Lover ausgerissen ist. Und Michel soll vermitteln und Françoise zurück in den Schoss der Familie holen…

Die Vorgeschichte, nämlich Michels angebliche Entführung, wurde bereits von Guillaume Nicloux filmisch zubereitet. Wie L'enlévement de Michel Houellebecq (2014) ist auch Thalasso (2019) als schelmische, halbdokumentarische Konversationskomödie angelegt. Auch ohne die vorgängige Entführungsposse gesehen zu haben, funktioniert der Kurcrash Thalasso. Man muss kein Literaturexperte sein, um dem Techtelmechtel des Starpärchens Houellebec – Depardieu beizukommen. Die beiden spielen sich quasi selbst.

Dabei glänzt vor allem Schöngeist Houellebecq mit komödiantischem Talent. Literatur und Film, Erfolg und Exil (Depardieu) sind so gut wie kein Thema. Das Kur-Rendezvous ist ironisch-amüsant und pfiffig-verschmitzt inszeniert. Aber es gibt auch platte Szenen, wenn beispielsweise Rocky alias Sly (Jade Roberts, die Sylvester Stallone-Kopie Nr. 1) auftaucht.

Am Ende löst sich die schöne Groteske in Luft auf. Man kann Gefallen am Clinch der beiden hochkarätigen «Spitzbuben» finden, man könnte sich aber auch fragen, was uns Thalasso sagen will. Gesund im Geist, subversiv in der Einschränkung? Zwei komische Käuze gehen durch dick und dünn, befreien sich befreit und sind bereit für neue Schelmereien?

01.07.2020

3.5

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