CH.FILM

Where We Belong Schweiz 2019 – 78min.

Filmkritik

Wohin gehören wir?

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Kinder fühlen sich allein gelassen und meistens als Opfer einer Trennung. Oft müssen sie zwischen den Eltern pendeln. Die Zürcher Regisseurin Jacqueline Zünd hat ihre ganze Aufmerksamkeit Scheidungskindern geschenkt, hat ihnen zugehört und ihnen ein Forum gegeben. Die Kinder haben ihre Empfindungen und Lage geschildert. Eindrücklich, ehrlich und denkwürdig.

Where We Belong ist der Titel des Dokumentarfilms (warum eigentlich Englisch?). «Wohin wir gehören wir?», fragen sich oft Scheidungskinder. «Für mich ist es am schlimmsten, wenn man mich fragt: Entscheide dich zwischen deiner Mutter und deinem Papa», schildert Sherazade ihre Lage. «Dann denk ich mir: Hallo? Bist du bescheuert? Das sind meine Eltern, ich will mich nicht zwischen ihnen entscheiden. Ich habe beide lieb.» Kinder geraten ohne ihr Zutun in eine verzwickte Situation. Die Eltern sprengen die Familien, die Kinder werden zerrissen, oft zum Spielball des Konflikts. Sie verlieren das eine Zuhause, ihr Nest, ihre Wärme.

Die Zürcher Filmerin Jacqueline Zünd (Almost There) hat den Bauernjungen Thomas Kurmann, die Geschwister Carleton und Sherazade Gogel sowie die Zwillinge Alyssia und Ilaria Pascale (und deren Eltern) von ihrer Vertrauenswürdigkeit überzeugen können und sie für ihr Vorhaben gewonnen. Bewusst bleiben die Eltern nur Randfiguren, der Film konzentriert sich auf die Kinder. Sie schildern das emotionale Schlamassel. Fast immer sind sie Opfer einer Scheidung.

«Leider kriegen es viele Erwachsene einfach nicht hin, sich und ihre Verletzungen beiseite zu schieben, wenn es um ihre Kinder geht», unterstreicht Jacqueline Zünd. «Da steckt ein grosses zerstörerisches Potenzial drin». Die Zwillinge beispielsweise versuchen, dem elterlichen Streit zu entgehen, und haben sich für ein Kinderheim entschieden.Meistens sind die Kinder dieser familiären Stresssituation ohnmächtig ausgeliefert, wagen oder können nicht eingreifen. Zwilling Alyssia gesteht ein: «Als ich jünger war, hätte ich den Mut haben müssen, Mama und Papa zu sagen, sie sollten aufhören zu streiten und sich wieder vertragen. Aber jetzt ist es zu spät.»

Es macht Hoffnung, dass diese Kinder erstaunlich intelligent und offensiv mit den Gegebenheiten umgehen. Jacqueline Zünd ist es überzeugend gelungen, die Problematik von Scheidungen und die Folgen bei betroffenen Kindern bewusst zu machen. Scheidungswilligen Eltern sollte dieser Film «Pflichtstoff» sein. Er ist durch wesentliche Unterstützung des Migros-Kulturprozents realisiert worden.

08.11.2019

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Tschugger - Der lätscht Fall

Sauvages - Tumult im Urwald