Wir Eltern Schweiz 2019 – 94min.
Filmkritik
We are family
Wir Eltern erzählt die Geschichte einer Familie, bei der es drunter und drüber geht – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Bis auf die Mutter sind die Darsteller auch im echten Leben eine Familie, die wahre Mutter Ruth Schweikert hat zusammen mit ihrem Ehemann, dem Regisseur Eric Bergkraut, das Drehbuch geschrieben.
Vier Jahre habe man als Eltern Einfluss auf die Erziehung, danach sei alles zu spät, erklärt der bald 20-jährige Anton (Elia Bergkraut) seiner Mutter Veronika (Elisabeth Niederer)im Zürcher Tram auf dem Weg zum Bellevue, als diese ihn wieder einmal verzweifelt zurechtweisen will. Zusammen mit ihrem Mann glaubt sie zwar, mit ihren Kindern grundsätzlich alles richtig gemacht zu haben. Doch die eigentlich erwachsenen Zwillinge des Akademikerpaars stellen sich quer, sind ständig frech, denken nicht daran, ihre Unordnung zu Hause in der grosszügigen Minergie-Wohnung selbst zu beseitigen; Antons Zwillingsbruder Romeo (Ruben Bergkraut) ist auf Jobsuche, Anton selbst seit einer Weile auf der Suche nach einer zündenden Idee für die Maturaarbeit.
Der kleinste der Familie, Benji (Orell Bergkraut) beklagt sich zwischen eskalierenden Diskussionen und trotzigem Schweigen, keiner in seiner Klasse habe eine solch schwierige Familie zu ertragen. Ein aufsässiger Verwalter (Beat Schlatter) macht das Chaos perfekt, wenn er regelmässig auf der Matte steht mit Beschwerden von den Nachbarn – auf dem Asphalt hat es Ölflecken von der sich auf dem Fenstersims befindlichen Fritteuse Ihres Sohnes – oder zusammengesammelten Joint-Stummeln, 14 an der Zahl.
Ruth Schweikert und Eric Bergmann, die zusammen das Drehbuch geschrieben haben, sezieren in Wir Eltern die Familiendynamiken und Beziehungs- sowie Erziehungsprobleme einer auf den ersten Blick modernen Aufstellung: Arbeit und Erziehung sind die Sache beider Eltern, wie Veronika während eines Wahlkampfinterviews für einen Politikerposten für die SP nachdrücklich betont. Hinter der Fassade sieht es jedoch ein wenig anders aus, wie sich mit Fortschreiten der knapp eineinhalbstündigen Komödie zeigt. Die Situation mit den renitenten Söhnen spitzt sich immer mehr zu, bis die Eltern ein für alle Mal beschliessen, alle leeren Drohungen in Tat umzusetzen und die Notbremse zu ziehen.
Das ist – auch der äusserst authentischen Darstellung der Besetzung zu verdanken – über weite Strecken sehr witzig; die Dialoge pointiert bis bissig. So bissig, dass einem an der einen oder anderen Stelle das Lachen im Hals stecken bleibt. Wir Eltern liegt mit der (überspitzten) Thematik nahe an der häufig tragischen Realität, was auch durch die Einstreuungen von Expertenmeinungen, die im Sinne eines Kommentators Einordnungen vornehmen, unterstrichen wird.
So wird dem Zuschauer zum Beispiel vorgekaut, dass ein Paar am glücklichsten ist, bevor das erste Baby da ist – freuen dürfe man sich aber auch darauf, bis der Nachwuchs dem Haushalt entflohen sei, dann gebe es wieder einen klaren Anstieg des Glücklichseins. Schwarzmalen tut man das Kinderkriegen und -haben aber trotz der teilweise ernsthaften Tonalität bis zum Schluss nicht. Wohl auch, weil die zynische Komödie nie den versöhnlichen Humor verliert und die Familie als dysfunktionale Einheit darstellt, in der man sich leicht wiederfinden kann.
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Kommentare
Ein grossartiger Film - gute Geschichte, klug erzählt, sehr schön gefilmt.
Wir haben gelacht, geweint und uns ertappt gefühlt.
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