Deep Water Australien, USA 2020 – 112min.

Filmkritik

Hat er, oder hat er nicht?

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Zwanzig Jahre nach seiner letzten Regiearbeit meldet sich Adrian Lyne mit einem verheissungsvollen Filmprojekt zurück: «Deep Water» basiert auf einem Roman der Thriller-Königin Patricia Highsmith, kreist um eine toxische Ehe und ist mit Ana de Armas und Ben Affleck, die im Zuge des Drehs eine kurze Liaison eingingen, prominent besetzt.

Nach seinen Achtziger-Jahre-Erfolgen «9 ½ Wochen» und «Eine verhängnisvolle Affäre» galt der Brite Adrian Lyne als Spezialist für erotisch aufgeladenes, abgründiges Beziehungskino. Auch sein bislang letztes Werk, das 2002 veröffentlichte Drama «Untreu», dreht sich um Verführung und verletzte Gefühle. Schuster, bleib bei deinen Leisten! Das dachte sich offenbar der einst gefragte Filmemacher, als es darum ging, ein Comeback als Regisseur zu feiern. «Deep Water» fügt sich nahtlos in seine bisherige Laufbahn ein, erreicht allerdings nicht, wie ursprünglich geplant, die grossen Leinwände, sondern bekommt nach diversen pandemiebedingten Verschiebungen nur einen Streaming-Start spendiert.

Schon in den ersten Szenen des Erotikthrillers nach Highsmiths gleichnamigem Roman von 1957 ist zu spüren, dass im Haus der gut betuchten Familie Van Allen einiges im Argen liegt. Der Ehe von Vic (Ben Affleck) und Melinda (Ana de Armas) fehlt es an Leidenschaft, aber mehr noch an einer gemeinsamen Basis. Während er eine ruhige Kugel schiebt und sein Frührentnerdasein für seine Hobbys nutzt, möchte sie etwas erleben und sehnt sich nach Überraschungen. Dass Melinda ständig mit anderen Männern schläft, ist offensichtlich. Als sie mal wieder einen neuen Liebhaber zu einer High-Society-Veranstaltung schleppt und dort unverhohlen küsst, bringt der ebenfalls anwesende Vic den jungen Mann (Brendan Miller) gezielt aus der Fassung. Ihm gegenüber behauptet er, dass er einen kürzlich verschwundenen Bekannten seiner Frau ermordet habe. Was Vic anschliessend als Scherz abtut, sorgt in seinem Umfeld für Unruhe.

Zu den interessantesten Aspekten des Films gehört die Figur des Privatiers im mittleren Alter. Vic hat, so erfahren wir, ein Vermögen mit einem Chip verdient, der in Drohnen Verwendung findet, möchte seiner Tochter Trixie (Grace Jenkins) ein guter Vater sein, kann sich ganz seiner Schneckenzucht widmen und treibt sich mit Melinda auf allerhand exklusiven Partys herum. Gerade der Müssiggang scheint aber der Beziehung überhaupt nicht gutzutun. Da die Van Allens ständig Freizeit haben, brechen die Spannungen und die unterschiedlichen Vorstellungen vom Zusammenleben umso stärker hervor.

Regelmässig fängt «Deep Water» Demütigungen und kleine Spitzen ein, die uns verraten, wie ungesund das Verhältnis der beiden Ehepartner geworden ist. Anders als es der Titel und Highsmiths psychologisch ausgefeilte Vorlage erhoffen lassen, tauchen Lyne und die Drehbuchautoren Zach HelmSchräger als Fiktion») und Sam LevinsonEuphoria») jedoch nicht tief genug in die Materie ein, um den Machtspielchen eine besonders böse Note zu verleihen. In der Rolle der trinkfreudigen, nach sexuellen Abenteuern lechzende Ehefrau bleibt vor allem Melinda zu klischeebehaftet.

Spannungstechnisch dümpelt der Thriller eine ganze Weile vor sich hin, selbst wenn Afflecks müde-frustrierter Gesichtsausdruck fürs Erste schwer durchschaubar ist. Richtig knistern will es auch deshalb nicht, weil die Schritte des misstrauischen, nach einem neuen Stoff suchenden Schriftstellers Don Wilson (Tracy Letts), den Vic auf einer Upperclass-Feier kennenlernt, halb gar in das Geschehen eingebettet sind. Im letzten Akt kommt zwar endlich etwas Schwung in die Sache. Aus dem Hocker hauen einen die dramatischen Entwicklungen und die vom Buch abweichende Schlusspointe aber eher nicht.

21.03.2022

2.5

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