Doctor Sleep USA 2019 – 151min.

Filmkritik

Unheimliche Gabe

Christopher  Diekhaus
Filmkritik: Christopher Diekhaus

Mike Flanagans Doctor Sleep will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Stephen Kings gleichnamigen Roman überzeugend auf die Leinwand bringen und Stanley Kubricks Kinoklassiker The Shining auf adäquate Weise fortsetzen. Das Ergebnis ist ein solider, in manchen Passagen sehr effektiver Horrorfilm, von dem man sich allerdings keine genreprägende Kraft erhoffen sollte.

Wer sich ein wenig mit den Hintergründen der Romanverfilmung The Shining befasst hat, dürfte wissen, dass Ursprungsautor Stephen King alles andere als zufrieden war mit Kubricks Adaption. Nach seinem Geschmack hatte sich der Regisseur zu viele Freiheiten im Handlungsaufbau genommen und Eigenschaften der Figuren zu stark abgewandelt. Nichtsdestotrotz entwickelte sich der vor allem audiovisuell eindrucksvolle Abstieg in den Wahnsinn zu einem Klassiker des Horrorkinos, dessen Impressionen sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben haben. Doctor Sleep, der auf Kings 2013 veröffentlichter Buchfortsetzung basiert, versucht nun, die unterschiedlichen Ansätze sinnvoll zu vereinen.

Rund vier Jahrzehnte nach den schrecklichen Ereignissen im eingeschneiten Overlook-Hotel scheint der erwachsene Dan Torrance (Ewan McGregor) die Geister der Vergangenheit langsam abschütteln zu können. Seine Alkoholsucht und seine Aggressionen hat er in den Griff bekommen. Und mit seiner telepathischen Gabe – dem sogenannten Shining – nimmt er inzwischen sterbenden Menschen in einem Hospiz die Angst vor dem Tod. Eines Tages kontaktiert ihn die Schülerin Abra Stone (Kyliegh Curran), die mithilfe ihrer seherischen Fähigkeiten auf eine vampirhafte Sekte aufmerksam geworden ist. Die von Rose the Hat (Rebecca Ferguson) angeführte Gruppe strebt nach einem möglichst langen Leben, bringt dafür Kinder mit Shining-Veranlagung um und saugt deren Kraft in Form eines Dampfes ein. Abra will gemeinsam mit Dan gegen die blutrünstigen Vagabunden vorgehen, was dieser zunächst jedoch entschieden ablehnt.

Dass Flanagan (Ouija: Ursprung des Bösen) nicht nur eine Verfilmung von Kings «Doctor Sleep»-Roman vorschwebte, sondern auch eine Verneigung vor Kubricks The Shining, spürt man vom Start weg. Vertraute unheilvolle Klänge wabern durch den Kinosaal. Und die akribisch nachgestalteten Flure des ominösen Overlook-Hotels erwachen vor dem Auge des Betrachters zu neuem Leben. An die ausgetauschten Schauspieler müssen sich Kenner des Vorgängers sicherlich gewöhnen. Unbehagen erzeugt der Regisseur mit seinen anfänglichen Rückgriffen aber durchaus. Im weiteren Verlauf fehlt den Reverenzen allerdings manchmal die Eigenständigkeit, und so unterstreichen sie vor allem eins: Dem Nerventerror, den Kubrick in grandios-beunruhigenden Bildern entfachte, ist Flanagan nicht ganz gewachsen.

Atmosphärisch hat der häufig mit einem bedrohlichen Pochen unterlegte, auf Holzhammer-Buh-Attacken weitgehend verzichtende Doctor Sleep dennoch einiges zu bieten. Besonders dann, wenn Rebecca Ferguson als verführerisch-skrupelloses Sektenoberhaupt die Bühne betritt. Ihre Performance sorgt für einige der grössten Gänsehautmomente und tröstet auch ein wenig darüber hinweg, dass der Film gegen Ende des Mittelteils erzählerisch etwas ins Schlingern gerät.

In seiner umfangreichen Exposition bemüht sich Flanagan darum, Dans Trauma und die für ihn und Abra schmerzhaften Erfahrungen mit der übernatürlichen Gabe zu ergründen. Hier und da hätte er aber ruhig noch tiefer bohren und den Zuschauer stärker am inneren Kampf der Hauptfiguren teilhaben lassen können. Das emotionale Moment bleibt gelegentlich auf der Strecke, was die Wirkung des rund zweieinhalbstündigen Angsttrips ein wenig abschwächt.

21.11.2019

3.5

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

EricBadTaste

vor 4 Jahren

wow, i'm so surprised - way better than expected. such a mystic, thrilling trip with fantastic surreal vibes. and i also love the flashbacks from the 80s masterpiece, as well as the great big band songs - i love them so much. such an awesome chose of Wendy Torrance. this is a very unique kinda movie !Mehr anzeigen


as1960

vor 5 Jahren

"Doctor Sleep" ist sicher nicht viel schlechter als andere Horrorfilme. Aber als Fortsetzung von "The Shining" schlicht ungenügend und völlig überflüssig. Es wäre ein Horror wenn weitere Fortsetzungen kämen...


andrea.camara.129

vor 5 Jahren

hatt mir nicht so gefalle Er wahr langweillig ich hätte mehr erwarte schade für die zeit


Mehr Filmkritiken

Typisch Emil

Tschugger - Der lätscht Fall

Hölde - Die stillen Helden vom Säntis

Landesverräter