Mandibules Frankreich 2020 – 77min.

Filmkritik

Die Fliege

Peter Osteried
Filmkritik: Peter Osteried

Quentin Dupieux ist einer der kreativsten, aber auch wahnwitzigsten Geschichtenerzähler unserer Zeit. Seine Phantasie ist grenzenlos, ob es nun um einen telekinetisch begabten Mörder-Reifen oder einen Mann geht, der von seiner Hirschlederjacke zum Morden angetrieben wird. In dasselbe Muster des Absurden fällt nun Mandibules, dessen Star eine riesige Fliege ist.

Zwei Freunde finden im Kofferraum eines gestohlenen Autos eine riesige Fliege. Sie hat etwa die Grösse eines stattlichen Hundes. So grotesk die Entdeckung ist, so absurd ist nun der Plan der beiden Freunde. Sie wollen nicht länger Autos klauen, sondern die Fliege darauf abrichten, in Banken zu fliegen und mit reichlich Zaster zurückzukehren. Aber wo trainiert man Dominique – so wird die Fliege genannt –, wenn einer der beiden obdachlos und der andere noch bei den Eltern lebt? Das Glück ist den Beiden aber hold und so ziehen sie in eine Villa, wo das Training beginnen kann.

Das Faszinierende an Dupieux‘ Welt ist, dass das Abnormale eigentlich nie in Frage gestellt wird. Entsprechend nehmen die beiden Hauptfiguren, die in ihrer dümmlichen Kleingangster-Attitüde immer haarscharf daran vorbeischrammen, nicht mehr sympathisch zu sein, die Fliege auch als das hin, was sie ist. Ein Hinterfragen, wie ein solches Ungetüm überhaupt existieren kann, gibt es nicht. Weil das Leben der beiden sie so oft in die Scheisse getaucht hat, dass sie einfach alles hinnehmen – und daraus dann einen grandiosen Plan ersinnen, der sie doch noch zum Reichtum führen soll.

Sehr schön ist auch, dass Dominique nur ganz selten per Computeranimation zum Leben erweckt wird. Mehrheitlich setzt Dupieux auf den praktischen Effekt eines animatronischen Modells, das im Grossen und Ganzen auch wirklich überzeugend aussieht. Zumindest verleiht dies Dominique mehr Persönlichkeit und Integrität als den beiden menschlichen Hauptfiguren, die das Dasein als Loser zur Königsdisziplin erhoben haben.

Der Film ist in mehr als einer Beziehung zum Schreien komisch, das aber auch buchstäblich, werden die beiden Ganoven doch von einer Frau verfolgt, die sich nur noch schreiend mitteilen kann. Das ist eine überbordende Performance, die der politischen Korrektheit kräftig vors Schienbein tritt, aber eben auch unheimlich komisch ist.

Überhaupt ist Mandibules ein sehr witziger und amüsanter Film, der die Pointen nachwirken lässt und weit weniger zynisch als viele von Dupieux‘ früheren Werken ist. Eher so etwas wie ein Märchen, wenn in solchen Riesenfliegen eine Hauptrolle spielen würden und Dupieux so etwas wie die Gebrüder Grimm wäre.

27.07.2021

4

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