Ariaferma Italien, Schweiz 2021 – 117min.
Filmkritik
Die Absurdität des Strafvollzugs
Der neue Film des italienischen Dokumentarfilmers und Regisseurs Leonardo Di Costanzo, «Ariaferma», ist eine italienisch-schweizerische Koproduktion, die vollständig in einem Gefängnismilieu spielt.
Das altehrwürdige Gefängnis von Mortana bereitet sich darauf vor, seine Pforten für immer zu schliessen. Doch während die Wärter bereits ihren Abschied feiern und die 100 Häftlinge verlegt werden, kommt die Bürokratie dazwischen: Ein Dutzend Übergangshäftlinge landen zwischen den verfallenen Mauern von Mortana. Eine Handvoll Wärter muss sich nun mit dieser seltsamen Konstellation auseinandersetzen.
Di Costanzo ist ein Dokumentarfilmer, was sich auch in den Vorbereitungen für den Film widerspiegelt: Der Regisseur besucht zahlreiche italienische Gefängnisse, um Wärter und Gefangene nach ihren persönlichen Geschichten zu befragen, um seinem zukünftigen Spielfilm Realismus zu verleihen. Dabei profitiert Di Costanzo von der Architektur seiner Gefängnisse. Die Zellen sind wie ein Panoptikum aufgebaut und liegen sich um einen zentralen Hof gegenüber, von dem aus die verschiedenen, nicht mehr genutzten Flügel des Gebäudes abzweigen. Die leere und verfallene Weite der Räume erdrückt die Figuren und erzeugt ein metallisches Echo, das sich mit der minimalistischen Musik des Films vermischt. Alles trägt dazu bei, den Eindruck des Eingesperrtseins und der Kälte zu verstärken, lässt aber auch das falsche Versprechen eines bevorstehenden Höhepunkts entstehen.
Di Costanzo spielt mit der ständigen Spannung, die er mit Hilfe von Off-Screen und kaum enthüllten Details erzeugt. Dennoch entscheidet er sich dafür, alles Spektakuläre wegzulassen. So entsteht ein erdrückendes, besonders eindringliches Gefängnis, das uns mal auf die Seite der Ungerechtigkeiten führt, die die Gefangenen erleben, und mal auf die Seite des ständigen Misstrauens, das die Wärter an den Tag legen. Eine seltsame Gefängnisblase, in der die absurde Situation dieser beiden Gruppen herrscht, die nie auf das Vertrauen des anderen zählen können. Kurzum, «Ariaferma» sprengt die Codes des Gefängnisfilms der die Existenz von Gefängnissen hinterfragt.
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