C'mon C'mon USA 2021 – 108min.
Filmkritik
Ich zeichne meinen Vater, wie er mir gefällt
Ein Radiojournalist begibt sich mit seinem jungen Neffen auf eine akustische und initiatorische Reise. Mit «C'mon C'mon» zeigt der Regisseur Mike Mills einen Film von tiefer Zartheit, in dem sich die ganze Eleganz seiner Besetzung offenbart.
Johnny (Joaquin Phoenix), ein 40-jähriger Radiojournalist, reist für eine Reportage durch die Städte der USA und befragt die junge Generation nach ihrer Sicht auf die Welt. Seine Arbeit wird eines Tages durch den Anruf seiner Schwester (Gaby Hoffmann) unterbrochen, die ihn bittet, sie in Los Angeles zu treffen, um sich um ihren Sohn Jesse (Woody Norman) zu kümmern. Während Viv sich um ihren kranken Ex-Mann kümmert, bleibt der neunjährige Jesse allein bei seinem Onkel zurück. Die zwei raufen sich zusammen und Johnny nimmt seinen Neffen Jesse unter seine Fittiche. Gemeinsam setzten sie die Radioreportage auf den Strassen der USA fort.
Mike Mills welcher 2017 mit «20th Century Women» für das beste Drehbuch bei den Oscars nominiert wurde, zeigt nun seinen vierten Spielfilm. Als Schwarz-Weiss-Film unterstreicht «C'mon C'mon» visuell die gewöhnliche Poesie eines Familienmelodrams. Die Geschichte einer Mutter, die ihren Sohn allein aufzieht, während ihr Ex-Partner den Boden unter den Füssen verliert, und die Geschichte eines kleinen Engels, zumindest eines Phoenix, der seiner Schwester zur Hand geht.
Und dann gibt es da noch die Kunst der Art und Weise, diese Alltäglichkeiten einzigartig zu erzählen und zu spielen. Die grossartige Gaby Hoffmann (u.a. bekannt aus der Serie «Transparent») verleiht der Mutter, Künstlerin und Schriftstellerin ihre zarte Aura. Sie, die sich bemüht, einen Haushalt über Wasser zu halten, der vor Liebe zu ihrem Sohn nur so strotzt. Aber weder die wunderbaren Klavierpartituren von Emahoy Tsegue Maryam Guebrou, noch die Requiems, die sie auswendig können, noch das erstaunliche Waisenkindspiel, das sie jeden Abend vor dem Schlafengehen spielen, kaschieren die Abwesenheit weniger. Mit seinen neun Jahren verarbeitet der junge Woody Norman die elterliche Trennung, und Jesse, der die Entfremdung seines Vaters (gespielt von Scoot McNairy) nicht versteht, setzt eine überbordende Energie frei.
In dieser unglücklichen Situation trifft Jesse auf seinen Onkel, einen feinfühligen Joaquin Phoenix, der ein wenig unbeholfen ist und gerade eine gescheiterte Beziehung hinter sich hat. Wie bei zwei kleinen Prinzen besteht sofort eine Chemie zwischen den Schauspielern, die uns wie ein herzerwärmender Walzer auf ihre gemeinsame Reise mitnehmen. Genau so, wie Joaquin Phoenix eine Passage aus dem Buch «Star Child» von Claire A. Nivola, zitiert, kommt «C'mon C'mon» wie ein sanfter Gedanke auf die Leinwand.
Jesse entkommt seinem Unglück immer wieder knapp, wie einem «Sunburn» à la «Mid90s»; ein Onkel ist kein Ersatz für einen Vater und schon gar nicht für eine Mutter, oder doch? Mit Kopfhörern auf den Ohren kann sich Jesse beruhigen und entdeckt mit Hilfe der Tonaufnahmen staunend seine Umgebung; An den Stränden von Los Angeles, in den Skateparks von New York, Chinatown und am Fusse der Manhattan Bridge (Kulissen, die Robbie Ryans Kamera wunderbar einfängt). Das Mikrofon wird zum bevorzugten Werkzeug, um die Welt zu begreifen, das Flüchtige einzufangen und seine Vertraulichkeiten aufzuzeichnen. Und das wäre fast schon schön genug, aber am Rande des Dokumentarfilms überlagert Mike Mills die Erzählung dieses aussergewöhnlichen Duos mit den Aussagen der kleinen Kinder, die er in Detroit, New York und New Orleans getroffen hat.
So stellt «C'mon C'mon» die Zukunft in Frage und ermöglicht es den Wesen, das Menschliche, Verletzliche zurückzugeben und das Herz und seine Stimmungen angesichts der Unvorhersehbarkeit des Daseins zu bestätigen. So trifft das Mikroskopische auf das Riesige und enthüllt eine zeitgenössische, urbane und journalistische Fabel, welche die Städte und ihre erstaunlichen Ameisen untersucht.Nach seinen «Beginners» und «20th Century Women» erzählt Mike Mills, der selbst Vater geworden ist, zwischen den Zeilen seines Films von seiner Unfähigkeit, die Welt in einfachen Worten zu erklären. Das Kino dient als Entschuldigung für eine etwas vage lyrische, diffuse und atmosphärische Studie. Vielleicht muss man einfach die bewegende Aufrichtigkeit von Joaquin Phoenix im Tandem mit Woody Norman geniessen. «C'mon C'mon» ist dieses Initiationsmärchen, in dem Schlangen traumhaft grosse Elefanten verdauen.
Übersetzung aus dem Französischen von Théo Metais durch Zoë Bayer.
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Kommentare
Nach 10 Minuten gegangen. Film war schwarz weiss, im alten mehr quadratischen Filmformat, und sterbenslangweilig, nur seltsame, Onkel-Neffe-Gespräche und Bruder-Schwester-Streitereien, kein tieferer Sinn erkennbar. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl Joaquin Phoenix will zeigen wie cool und begabt er ist, in dem er so locker-ungezwungen dieses experimentielle Werk produziert. Sicher, er ist cool, nur leider der Film ist es überhaupt nicht. Da bin ich zu wenig der "Künstler", da hab ich zu wenig Geduld. Ich wollte (normale Kino-) Unterhaltung und erhielt stattdessen experimentelles Theater? Es ist sicher nicht für jedermann/jedefrau. aber bestimmt gibt es küstlerisch veranlagte Leute, die sich auf so ein Experiment einlassen können und dann daran Gefallen finden. Chapeau wer's kann!… Mehr anzeigen
Zuletzt geändert vor 2 Jahren
Seltsamer Film, wirr und schwer verständlich. Ich brachte nichts von den Dialogen auf die Reihe. — Hingegen sind die Aufnahmen der Großstädte der Hammer.
Hochinteressanter Film, gute Eindrücke aus den US - Grossstädten. Für mich nicht ganz einfach zu verstehen, insbesondere das Verhalten von Jesse.
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