CH.FILM

Youth Topia Deutschland, Schweiz 2021 – 85min.

Filmkritik

Kein Kinderspiel mehr

Filmkritik: Alejandro Manjon

In dieser dystopischen Welt sind die Teenager-Jahre ein soziales Konstrukt, in das jeder unabhängig vom Alter reinrutschen kann. Erwachsene können also unter bestimmten Umständen wieder zu Teenagern werden, wenn sie sich nicht an die sozialen Regeln halten und eine Zeit zum «Nachdenken» brauchen. Dies wird durch den Algorithmus entschieden, so wie wann Jugendliche zu Erwachsenen werden und welche Arbeitsstelle sie zugewiesen bekommen. Wie sieht es jedoch für die Menschen aus, für welche der Algorithmus keinen Platz findet?

Wanja ist jung, wild und ihre Lieblingsbeschäftigung ist es, mit ihren Freunden rumzuhängen und Unfug zu treiben. Verkatert ohne Hose und gedanklich irgendwo anders kommt die Neuigkeit aus dem Nichts: Der Algorithmus fordert sie auf, als Erwachsenen in einem Architekturbüro zu arbeiten. Ausgerechnet an dem Tag, nachdem sie mit ihren Freunden in ein fremdes Haus eingebrochen ist und die ganzen Möbel aus Spass zerschmettert hat. Die nächsten Tage laufen schnell ab. In ihrem neuen Erwachsenenleben fühlt sie sich zwar einsam, dennoch geniesst sie ein paar Erwachsenen-Privilegien. Der sexuelle Trieb gehört auch zum neuen Leben dazu, genauso wie die Freiheit, sich eine Ofenpizza zu backen oder sich ein neues Auto anzuschaffen. Wanja merkt aber, dass sie sich anders mit ihren Jugendfreunden fühlt und ist hin- und hergerissen zwischen dem was sie geworden ist und was sie war.

Der Film vom Dennis Stormer ist eine gelungene Satire der Gesellschaft, in der die Produktivität und Zielstrebigkeit gross geschrieben wird. Er präsentiert eine Realität, die genauso gut der bekannten Serie «Black Mirror» entnommen sein könnte. Eine Welt, die durch den Algorithmus verstanden, beobachtet und letztendlich bestimmt ist. Das Publikum kann sich mit Wanja identifizieren: Erwachsenwerden ist ein komplizierter Prozess, der viel damit zu tun hat, den Spass und das Gemeinschaftsgefühl unter Freunden loszulassen, um sich Verpflichtungen und schwierigen Entscheidungen zu widmen.

Der alternative Coming-of-Age Film überrascht mit dem adäquaten Tempo der Szenen und der realistischen Dialoge. Er gibt genügend Zeit, um die Protagonistin tief kennenzulernen, ohne dass die Geschichte sich in die Länge zieht. Das Lichtspiel zwischen diesen zwei gesellschaftlichen Polen - den Erwachsenen und Jugendlichen- ist ganz geschickt ausgeführt worden. Bei den Erwachsenen überwiegen Kanten, gerade Linien, Schwarz-Weiss-Farbkombinationen und eine gewisse Neigung für das Ergonomische. Bei den Jugendlichen hingegen herrschen undefinierte Formen, Unordnung, die Farben sind intensiver und versetzen uns auf ein ewiges Pop-Musikfestival.

«Youth Topia» erfüllt seinen Zweck: Eine Brücke zwischen Generationen zu bauen. Verträumt, dystopisch, jedoch zutiefst real regt der Film das Publikum an, darüber nachzudenken, welche Art Erwachsener wir werden möchten.

19.04.2022

3.5

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