Aller Tage Abend Italien, Schweiz 2022 – 79min.
Filmkritik
Was vielleicht noch zu sagen wäre. Eine Art Totentanz
Felix Tissi erzählt in lose miteinander verbundenen, oft verschmitzt-schwarzhumorigen Szenen aus dem Leben eines halben Dutzend mehr oder weniger betagten Senioren und Seniorinnen. Eine feinfühlig-skurrile und sehr menschliche Groteske ums Alter(n) – die in ihren besten Momenten an die bedächtigen Betrachtungen des Schweden Roy Andersson erinnern.
Alex und Leopold, beide Mitte 70, werden nach einem Frontalcrash so etwas wie Freunde. Irma und Henri leben hochbetagt ihren Traum der ewigen Liebe. Ein alter Arzt kennt kein anderes Heilmittel mehr als seine Tränen, ein lebenslänglich Verurteilter, zum 65. Geburtstag unverhofft aus der Haft entlassen, erobert das Herz einer grimmigen Blumenverkäuferin. Und dann ist da noch dieser mysteriöse Kerl im dunklen Kapuzenmantel, der in seiner weissen Stretch-Limousine unablässig durch die Gegend kurvt.
Das Alter, schreibt Felix Tissi in einem Statement zu seinem Film, habe einen schlechten Ruf – aber auch einige Vorteile. Man dürfe endlich einfach nur Mensch sein und sich dabei allerlei Schabernack erlauben.
Das ist wörtlich genommen die exakte Beschreibung dessen, worum es Tissi in seiner «skurrilen Mär übers Alter» geht: das Humane. Die Träume und Albträume, die einen Menschen begleiten. Seine Hoffnungen und Enttäuschungen. Die Bitterkeit, aber auch die Zärtlichkeit des Seins. Und den Moment, in dem man begreift, dass das Leben endlich ist und dass man, um etwas Bestimmtes (noch) zu erleben, den Anstand fallen lassen muss.
So benehmen sich die Figuren Tissis Films fast immer etwas daneben. Und weil Tissi sich beim Erzählen Zeit lässt, sich auch bildlich ans Absurde und Komische wagt und die Dialoge öfter ins Satirische zieht, verortet sich «Aller Tage Abend» souverän zwischen Christian Morgensterns humorigen «Galgenliedern» und den grossartig grotesken Filmballaden von Roy Andersson.
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