Big Little Women Ägypten, Schweiz 2022 – 86min.
Filmkritik
Die unerschrockenen Töchter des Patriarchats
Die ägyptisch-schweizerische Filmemacherin Nadia Fares verbindet in «Big Little Women» die eigene Biografie mit der (unglücklichen) Liebesgeschichte ihrer Eltern und der Entwicklung des Feminismus in Ägypten. Ein eigenwilliger, aber auch mutiger Film, welcher der ägyptischen Feministin Nawal El Saadawi (1931-2021) posthum ein Kränzchen windet.
Nach dem Tod ihres Vaters hält sich Nadia Fares immer öfter in Ägypten, ihrer zweiten Heimat, auf. Sie besucht ihre Verwandtschaft und taucht zugleich in die Geschichte der ägyptischen Frauenbewegung ein. In den 1950er- und 1960er-Jahren gab es eine Befreiung von vielen traditionellen Zwängen – diese Freiheiten gingen nach dem arabischen Frühling aber wieder verloren. Parallel dazu erzählt Fares die Geschichte ihrer Eltern, die zu einer Zeit heirateten, als eine Ehe zwischen einem Ägypter und einer Schweizerin noch tabu war.
Nadia Fares hat ihren ersten langen Dokumentarfilm als einen filmischen Brief aufgebaut. Er ist an ihren ägyptischen Vater gerichtet, der in ihrer Kindheit auf Betreiben des Grossvaters aus der Schweiz ausgewiesen wurde und den sie lange nur von Ferienaufenthalten her kannte.
Nach seinem Tod aber beginnt Fares, die in der Schweiz aufgewachsen ist und heute in Genf, Los Angeles und Kairo lebt, sich stärker mit ihrer zweiten Heimat auseinanderzusetzen. Im Zentrum ihrer Recherche stehen neben Gesprächen mit ihren Verwandten und jungen Ägypterinnen, die unerschrocken für ihre Rechte kämpfen, eine Begegnung mit der Frauenrechtlerin Nawal El Saadawi (1931-2021) – wenige Monate vor ihrem Tod gewährte sie Fares ein Interview. In der Verbindung der eigenen Familiengeschichte mit sozial-politischen Entwicklungen in der Schweiz und Ägypten in den letzten 70 Jahren, ist Fares ein origineller, in der Offenheit der persönlichen Auseinandersetzung auch überaus mutiger Film geglückt.
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