Le Voyage à Eilat Frankreich, Israel, Schweiz 2022 – 105min.
Filmkritik
Versöhnung bei 35 Stundenkilometern
Der Film «Le Voyage à Eilat» ist ein humorvolles israelisches Roadmovie, in dem der chaotische 70-jährige Albert und sein Sohn Ben, der nebenbei noch mit familiären Problemen zu kämpfen hat, eine Reise antreten. Die Beziehung der beiden entwickelt sich im langsamen Rhythmus ihres Fahrzeugs, eines glänzenden roten Traktors.
Ein Abend mit viel Alkohol, einer Wette, Stolz, ein bisschen Nostalgie: So findet sich der Kriegsveteran Albert auf seinem alten Traktor wieder, um innerhalb einer Woche von seinem Kibbuz nach Eilat am anderen Ende des Landes zu fahren. Mit dabei: Sein Sohn Ben als ein unfreiwilliger Helfer. Der Vater versucht, die lange vernachlässigte Beziehung wieder in Gang zu bringen. Der arbeitslose Ben ist allerdings mit seinen eigenen Familiensorgen beschäftigt. In verbrannten, oft wüstenähnlichen Landschaften und bei Begegnungen, die einen weniger bekannten Teil Israels zeigen, erzählt der alte Mann von seinen Erinnerungen und holprigen Annäherungsversuchen an seine Familie.
Im Film werden wir von Eilat nur das Ortseingangsschild sehen. Eine der Versionen des Filmplakats erinnert an die Bilder von Alain Resnais und die Geschichte könnte die von «The Straight Story» sein, der von vielen als David Lynchs wohl verständlichster Film bezeichnet wird. Mit etwas Abstand betrachtet, stellt der fröhliche und unkonventionelle Geist des Spielfilms einen gelungenen Kontrast zu einer nicht zu der vernachlässigenden Tiefe dar. Die geniale Anfangsszene stellt einen Suizid in den Mittelpunkt. Zwischen geistlosen Teenagern, die weiter auf ihren Handys herumtippen, und einer Frau, die darauf hinweist, dass ihr Mann an Gewicht zugenommen hat, ist der Ton schnell vorgegeben.
Als Überlebender des Holocaust und atheistischer Kriegsveteran mit unverarbeiteten Traumata wurde Albert von Yona Rozenkier, dem Vater des Regisseurs, inspiriert. Durch den Himmel, dessen Bild zu Beginn abgeschnitten ist, liegt die Aufmerksamkeit auf der ungewöhnliche Besatzung sowie dem engen Raum des Traktors und seines Anhängers, der für eine Woche zum Lebensraum umfunktioniert wird. Naomi, eine aus Äthiopien stammende Tramperin, begleitet die beiden ein Stück auf ihrem Weg, wobei sie in ihrer ohnehin schon komplizierten Beziehung einen klaren Kopf behält. Als dem Traktor der Sprit ausgeht, findet Ben bei einem Aufseher von riesigen Baumaschinen Nachschub. Die Maschinen wurden von Clinton für den Bau einer "Autobahn und eines Hochgeschwindigkeitszuges" angeschafft, aber nie benutzt.
Auf dem Weg nach Eilat nimmt Albert einen Umweg auf sich, um einen Annäherungsversuch zu Sascha, einem anderen seiner Söhne und Bens Halbbruder, zu starten. Trotz Bens Bemühungen, die sogar so weit gehen, dass er mit seinem Bruder ein rituelles Bad nimmt, weigert sich Sascha, mit seinem Vater zu sprechen. «Du bist religiös: Solltet ihr nicht besser sein?», wirft Ben ihm an den Kopf, während Sascha gerade noch ein «Auf Wiedersehen, Papa» über die Lippen bringt, als die beiden Männer auf ihrem Traktor davonfahren. Niemand ist grausam und niemand ist ein Engel. Trotz aller Hindernisse entsteht schliesslich ein gemeinsamer Dialog, der zwar nicht perfekt ist, aber zumindest existiert. Der Film «Le Voyage à Eilat» ist ein Vergnügen, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
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Kommentare
Schöner kleiner Roadmovie. Letztes Jahr am Solothurner Filmfestival gesehen. Mochte ich sehr.
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