L' art du silence Schweiz 2022 – 81min.
Filmkritik
Wie aus der Stille Kunst entsteht
Pantomime ist die Kunst ohne Geräusche zu kommunizieren und zu unterhalten. Einer der bekanntesten Meister dieses Faches war der Franzose Marcel Marceau. Ihm und dieser besonderen Darstellungsform geht der Film des Schweizer Regisseurs Maurizius Staerkle Drux nach.
Marcel Marceau ist einer der bekanntesten Pantomimen der Geschichte. Sein Leben war bewegt, um es vorsichtig auszudrücken. Marceau, der eigentlich Mangel hiess, stammte aus einer elsässischen jüdischen Familie. Auch für ihn bedeutete der Zweite Weltkrieg einen markanten Einschnitt. Er musste zum Beispiel seine Schauspielerausbildung unterbrechen. Stattdessen engagiert er sich in Frankreich in der Widerstandsbewegung, während sein Vater deportiert und ermordet wurde. Bekannt ist, dass dank Marceau offenbar über 300 jüdische Kinder mit falschen Pässen ausgestattet hat und half diese damit in die Schweiz zu schmuggeln.
Eine eigene Familie gründete Marceau später. Diese konkurrierte allerdings mit seiner Kunst. Die Aufnahmen, Fotografien, Video- und Audiostücke, die der Dokumentarfilm von Maurizius Staerkle Drux zusammenstellt, beschreiben einen introvertierten Mann, der seinen ganzen Weltschmerz hinter einer dicken Sicht weisser Schminke versteckte. Selbst die Aussagen von Menschen aus Marceaus Umfeld, wie seine Ehefrau und Töchter, die in den Film eingeflossen sind, zeigen, dass er nur sehr wenig über sein Gefühlsleben preisgegeben hat. In diesem Zusammenhang bekommt der Titel «L'art du silence» schon fast eine metaphysische Bedeutung.
Staerkle Drux nimmt die Figur von Marceau zum Anlass über diese, in der heutigen Zeit nicht mehr sonderlich beliebte Darstellungsform der Pantomime zu sprechen.Was dabei besonders interessant ist, betrifft das Erbe des Künstlers. Seine Familie führt ein Theater, seine Frau inszeniert, seine Töchter und sein Enkel, ein Tänzer in der Ausbildung, treten gemeinsam auf. Ausserhalb der Marceaus macht der Film einen kleine Exkurs zu einer Gruppe von Parkinsonpatienten, die Pantomime als Therapie nutzen. Und schliesslich bezieht der Regisseur seinen eigenen Vater mit ein, der selbst Bühnendarsteller ist. Die Pantomime hilft diesem, sich auszudrücken und die Hemmungen oder das Hindernis, die durch seine Taubheit entstehen, zu kompensieren. Hier vermag es «Die Kunst der Stille» zu fesseln. Nur kommen diese letzteren Aspekte im Film leider etwas zu kurz.
An sich hätte dem Film eine Verschlankung gut getan. Es fehlt der Mut, den einzelnen Bildern und Gedanken mehr Raum zu lassen. Von der Stille, die für die Pantomime so entscheidend ist, hätte man gerne auch etwas im Film selbst gespürt. Stattdessen kommt er durch den schnellen Schnitt, die Fülle an Bild- und Tonmaterial und einzelnen formalen Manierismen kaum zur Ruhe. Das ist schade, denn dem Regisseur scheint in erster Linie das Evozieren einer Stimmung wichtiger als etwa eine analytische oder historische Abhandlung des Thema gewesen zu sein. Es ist dieser Einblick in ein Feld, das bisher kaum Beachtung gefunden hat, das «Die Kunst der Stille» schliesslich auf jeden Fall sehenswert macht.
Dein Film-Rating
Kommentare
Die Cinemanfilmkritzik mag stimmen, was den den schnellen Schnitt betrifft.
Für mcih war der Film aber eine positive Überraschung - ging ohne grosse Erwartungen hin;
mehr mangels Alternativen ;-) und weil ich den Vorfilm gesehen hatte.
Es war dann aber eben nicht nur ein Film über die Kunst des Pantomimen,
sondern wurde auch zu einem Zeitgemälde.
Heute hören wir anders hin, wenn Grosseletern aus der Ukraine (und aus Polen) kommen.
Und die Seitenlinien zu Parkinson, vor allem aber zum Enkel (sollte der wirklich erst 16 sein?)
geben dem Film tatsächlich weitere Ebenen.… Mehr anzeigen
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