Plan 75 Frankreich, Japan, Philippinen, Katar 2022 – 112min.

Filmkritik

Ein würdiges Ende

Filmkritik: Teresa Vena

«Plan 75», ist der erste Film der japanischen Regisseurin Chie Hayakawa. Ein verstörendes Porträt einer Frau und der drei Personen, die für ihre geplante Euthanasie verantwortlich sind.

In ihrem Regiedebüt verarbeitet die junge Japanerin Chie Hayakawa ein ernstes Thema. Wie einige andere Industriestaaten leidet auch Japan an einer zunehmenden Überalterung seiner Gesellschaft. Eine der Konsequenzen sind die steigenden Kosten für Sozialleistungen und Renten. Alte Menschen besetzen zudem Wohnraum, der in Japan Mangelware und daher sehr kostbar ist. Es sei tatsächlich eine feindselige Stimmung der jungen Generation gegenüber der älteren zu spüren, meinte Hayakawa im persönlichen Gespräch. Diese bildet die Basis für ihren Film. Inspiriert wurde sie für die Entwicklung ihrer Dystopie von einem realen Kriminalfall, in dem ein junger Mann mehrere Senioren tötete und seine Tat damit begründete, dass er dadurch der Gesellschaft Erleichterung verschaffen wollte.

Im Film geht es darum, eine Lösung für diese Gewalt und Frustration gegenüber Senioren zu finden. Der Staat entwickelt «Plan 75». Alle Menschen ab 75 dürfen kostenlose Sterbehilfe in Anspruch nehmen, die Einäscherung und Beerdigung in einem Massengrab ist inbegriffen, sie erhalten sogar eine Prämie. Rund um diese neue Einrichtung entstehen verschiedene Berufsfelder für Jüngere: Man muss die möglichen Kandidaten anwerben und schliesslich betreuen, sobald sie sich für das Programm eingeschrieben haben – denn sie haben natürlich das Recht, es sich selbst im letzten Moment noch anders zu überlegen, aber das sollte vermieden werden.

Die Regisseurin präsentiert diese etwas futuristische und unheimliche Idee auf derart trockene Weise, dass man nicht lange braucht, um sie als realistisch anzusehen. Überhaupt hat der Film an sich einen fast dokumentarischen Einschlag. Er ist einfühlsam und spiegelt Eigenheiten der japanischen Gesellschaft, wenn es beispielsweise um die Umgangsformen geht, wider, die einen faszinieren und gleichzeitig ziemlich wütend machen. Man hätte sich eine Straffung des Stoffes gewünscht, da sich ein paar Längen einstellen, und auch, dass am Schluss konsequenter auf den versöhnlichen Tonfall verzichtet worden wäre. Doch ingesamt vermag «Plan 75» zu berühren, regt zum Nachdenken an und verlangt, dass man sich mit den skizzierten gesellschaftlichen Problemen ernsthaft beschäftigt, denn sie gehen uns alle etwas an.

04.05.2023

4

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Kommentare

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thomasmarkus

vor einem Jahr

Interessant, dass wegen der Jungen die Alten Platz machen sollten - dort aber, wo der Film Alt und Jung in Begegnung zeigt, Frieraum auftaucht... Ähnlich den -ophobien (Xenophobie, Homophobie o.ä.), die meist da auftreten, wo das 'Problem' oder die Angstmachenden gar nicht präsent.


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