La Bête Kanada, Frankreich 2023 – 146min.

Filmkritik

Die Liebeskrankheit von Léa Seydoux

Filmkritik: Damien Brodard

Der französische Regisseur Bertrand Bonello vereint Léa Seydoux und George MacKay für einen verstörenden Hybridfilm, der 2023 im Wettbewerb des Filmfestivals von Venedig lief.

Im Jahr 2044, als die menschlichen Emotionen das reibungslose Funktionieren der Gesellschaft bedrohen, muss Gabrielle (Léa Seydoux) ihre DNA durch die Wiederbelebung ihrer früheren Leben reinigen. Dabei trifft sie jedes Mal auf Louis (George MacKay), mit dem sie auf unerklärliche Weise verbunden zu sein scheint. Gabrielle ist jedoch beunruhigt und davon überzeugt, dass etwas Schreckliches passieren wird. Dieses Gefühl verfolgt sie wie ein bösartiges Wesen, das sie nicht identifizieren kann.

Der Franzose Bertrand Bonello erschütterte das Publikum in Lido mit einem äusserst verwirrenden Experiment! Frei nach dem Roman «The Beast in the Jungle» des Engländers Henry James versucht dieser Film an der Schnittstelle verschiedener Filmgenres, das Gefühl von Liebe im Laufe der Zeit zu hinterfragen, verstärkt durch eine gespaltene Darstellungsweise. Es ist offensichtlich, dass Bonello sich von David Lynchs Arbeit inspirieren lassen hat, um eine Art quälenden Wachalbtraum zu entwickeln, in dem alles gleichzeitig absurd und unwirklich erscheint und doch immer ein unerklärliches und hartnäckiges Gefühl des Unbehagens mit sich bringt.

Um dies zu erreichen, setzt der Regisseur auf eine ziemlich radikale Inszenierung, die auf alle auffälligen Effekte verzichtet und hauptsächlich auf einfache, schlichte Einstellungen zurückgreift. Die gleiche Zurückhaltung findet sich auch in der künstlerischen Darstellung und der Fotografie, obwohl der Film drei Epochen durchläuft. Das Konzept ist trocken und könnte einen Grossteil des Publikums abschrecken, doch es trägt unweigerlich zu dieser besonderen Atmosphäre bei.

Diese Form kommt jedoch den Hauptdarsteller:innen zugute, die eine bemerkenswerte Leistung erbringen. Léa Seydoux ist beeindruckend und erinnert daran, dass sie eine weitaus grössere Bandbreite an Schauspielfähigkeiten besitzt, als in den grossen amerikanischen Produktionen verlangt wird. Ihr gegenüber steht der Brite George MacKay, der gekonnt zwischen den verschiedenen Charakteren wechselt und dabei die Rolle übernimmt, die ursprünglich dem verstorbenen Gaspard Ulliel zugedacht war. Leider bleibt der Rest der Besetzung weit hinter den beiden Hauptdarsteller:innen zurück.

Bei dem Versuch, seinem Werk einen kryptischen Aspekt zu verleihen, stösst Bonello allerdings auf einige Schwierigkeiten hinsichtlich seiner Erzählung. Obwohl es sich um einen absichtlich komplexen Film handelt, der eigentlich eine einfache Geschichte erzählt, führt der Versuch, das Publikum unbedingt in den Verwicklungen seiner Geschichte zu verlieren, dazu, dass die emotionale Beteiligung abnimmt. Gelegentlich scheint es so, als würde das narrative Durcheinander sogar dazu dienen, einige Lücken des Drehbuchs zu verteidigen, insbesondere die Bedeutung der Science-Fiction-Elemente.

Trotzdem ist die Thematik der Liebe zwischen 1914, 2024 und 2044 durchaus wirkungsvoll und bietet einige schöne Denkanstösse bezüglich der Kontrolle von Gefühlen oder der Künstlichkeit im Zeitalter der sozialen Netzwerke. Letztendlich ist es schwer, über ein derart einzigartiges filmisches Objekt zu sprechen, dessen Wirkung nicht garantiert ist. Obwohl die minimalistische Optik, die bewusste Kälte und das schräge Drehbuch eine Reihe von Argumenten sind, die dafür sprechen, auf der Strecke zu bleiben, mag die Erfahrung absolut reizvoll sein, wenn man sich auf dieses ungewöhnliche Werk einlässt.

05.08.2024

3.5

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Kommentare

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pspichig

vor 2 Monaten

4 Sterne für die schöne Belle-époque-Geschichte, 2 für die selbstmitleidige Incel-Geschichte, im Schnitt 3.


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