Animal Kingdom Frankreich 2023 – 128min.
Filmkritik
Der Ruf der Wildnis
Das Leben ist Veränderung, aber «Animal Kingdom» treibt das auf die Spitze – hier werden Menschen zu Tieren. Der französische Regisseur Thomas Cailley zeigt, was die tierischen Mutationen für Angehörige und Gesellschaft bedeuten und erzählt eine spannende Geschichte über Freiheit, Toleranz und das Erwachsenwerden.
Eine rätselhafte Krankheit, bei der Menschen zu tierähnlichen Wesen mutieren, hält die Welt in ihrem Bann. François (Romain Duris) und Émile (Paul Kirchner) steht ein Umzug bevor, denn Émiles Mutter, die sich langsam in ein wildes Tier verwandelt, soll in einem speziellen medizinischen Zentrum untergebracht werden, das sich um solche Fälle kümmert. Beim Transport gibt es aber einen Unfall, bei dem die Wesen entkommen können. Während François alles tut, um seine Frau zu finden, entdeckt Émile bei sich selbst erste Anzeichen der Krankheit.
«Animal Kingdom» ist ein vielschichtiger Film mit einer spannenden Grundidee, die konsequent umgesetzt wird. Auf einer gesellschaftlichen Ebene wird die Sehnsucht nach Freiheit und Akzeptanz anderer Lebensentwürfe und Bedürfnisse in den Mittelpunkt gestellt. Auch wenn sich viele der Figuren um Toleranz und Offenheit bemühen, ist die Angst, Ablehnung, Hass und letztendlich auch Gewalt gegenüber den Wesen sehr viel lauter – eine leider akurate und somit umso schmerzhaftere Spiegelung unseres Zeitgeistes.
Auf einer persönlichen Ebene verhandelt «Animal Kingdom» aber auch den schmerzhaften Prozess des Erwachsenwerdens. Hier entfaltet sich die Tragik der Geschichte vor allem in der Figur des Vaters François, der nicht nur seine Frau an die Wildnis verliert, sondern auch lernen muss, seinen Sohn loszulassen. Romain Duris und Paul Kirchner haben eine wunderbare Dynamik und sind ein sympathisches Vater-Sohn-Gespann, das sehr authentisch wirkt und seine eigene Sprache spricht. Umso dramatischer ist es, ihnen bei ihren Problemen und der unaufhaltsamen Verwandlung zuzuschauen.
Überzeugend gemacht und teilweise verstörend sind die körperlichen Veränderungen der Mensch-Tier-Wesen, die mitunter in Richtung Körperhorror wandern und für reichlich Zuckungen im Kinositz sorgen. Dank sehr gut gemachten Spezialeffekten und innovativen Charakterdesigns bevölkern in «Animal Kingdom» jede Menge bisher ungesehene Wesen die Leinwand. Manchmal grotesk, manchmal erhaben, aber auf jeden Fall ungewohnt, sind sie am Ende weder Mensch noch Tier, sondern eine ganz eigene Gattung.
Die Prämisse von «Animal Kingdom» ist ebenso beängstigend wie faszinierend und entwickelt eine ganz eigene Sogwirkung. Trotzdem beginnt die Geschichte irgendwann, sich zu wiederholen und büsst dadurch etwas an Spannung ein. Ein paar kleinere Straffungen hätten dem Film gut getan, obwohl die lange Laufzeit auch für die umfassende Charakterentwicklung gebraucht wird, die mehrere Figuren durchmachen müssen.
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