L’été dernier Frankreich, Norwegen 2023 – 104min.

Filmkritik

Geschichte einer verbotenen Leidenschaft

Filmkritik: Marine Guillain

«L'été dernier», der im Mai 2023 in Cannes zum Abschluss des Festivals gezeigt wurde, ist wahrscheinlich der Film, der die grösste Kontroverse ausgelöst hat. Catherine Breillat thematisiert darin die Beziehung zwischen einer 50-jährigen Frau und ihrem 17-jährigen Stiefsohn.

Anne (Léa Drucker) ist Anwältin. Sie arbeitet insbesondere Zeugenaussagen von jungen Mädchen auf, die sexuell missbraucht wurden. Sie lebt mit ihrem Mann Pierre (Olivier Rabourdin) und ihren beiden Töchtern im Alter von sechs und sieben Jahren. Eines Tages stört die Ankunft von Théo (Samuel Kircher), einem Sohn aus Pierres früherer Ehe, die Ruhe der bürgerlichen Familie. Der 17-jährige Théo macht eine schwierige Phase durch und erweist sich als ziemlich unkontrollierbar. Bis sich zwischen ihm und Anne langsam ein Vertrauensverhältnis aufbaut, das sich in sexuelle Anziehung verwandelt.

Im Alter von 74 Jahren kehrt die Regisseurin Catherine Breillat nach einer zehnjährigen Pause zurück. «L'été dernier» ist ein Remake des dänischen Films «Queen of hearts». Aufgrund seines grenzwertigen Themas hat der Film bei seiner Vorstellung in Cannes im offiziellen Wettbewerb im Mai 2023 zwangsläufig verstört und empört.

Anstatt sich auf den subversiven Aspekt zu konzentrieren (der ehrlich gesagt nicht so provokant ist), geht es in "L'été dernier" vor allem um eine Frau - eine 50-jährige Anwältin, die sich auf den ersten Blick in ihrer Haut wohlfühlt -, die plötzlich nicht mehr in der Lage ist, ihren Trieben zu widerstehen, und sich immer mehr in einem Netz aus Lügen verstrickt, das das gesamte familiäre Gleichgewicht bedroht. «Ich habe diesen Film gemacht, um über diesen zerstörerischen Wahnsinn zu sprechen, der manchmal von uns Besitz ergreift und der sich nicht erklären lässt», erzählte uns Léa Drucker bei unserem Treffen in Cannes.

Grundproblem dieses Films: Er fühlt sich von Anfang bis Ende falsch an. Liegt es an der Führung der Schauspieler:innen? Am Schnitt? An mangelnder Kohärenz? Nehmen wir eine Mischung aus all dem an. Wie dem auch sei, es ist unmöglich, der Handlung von «L'été dernier» zu glauben. Nicht wegen des Altersunterschieds zwischen den Protagonist:innen, sondern weil die Dialoge zwischen Dürftigkeit und unoriginellen Pointen hin und her segeln. Weil alles zu schnell geht, ohne einen glaubwürdigen Übergang.

Man wechselt, ohne etwas zu verstehen, von Théos unangenehmem und übertriebenem Verhalten, der das Haus, in dem er untergebracht ist, ausraubt und auf den Kopf stellt, zu Anne, die ihn vertrauensvoll bittet, sie zu tätowieren, bis hin zu einer wilden Liebesszene im Grünen. Nur Samuel Kircher, der die gleiche Aura wie sein älterer Bruder Paul Kirchner hat, schafft es, «L'été dernier» vor dem Eindruck eines schlechten Fernsehfilms zu bewahren.

21.05.2024

1.5

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