Terrestrial Verses Iran 2023 – 78min.

Filmkritik

Die Absurdität des iranischen Regimes

Filmkritik: Marine Guillain

Der Film «Terrestrial Verses», der in der Kategorie Highlights des GIFF gezeigt wurde, zeichnet ein mosaikartiges Porträt von zehn Iranern und Iranerinnen, die für ihre Rechte kämpfen, in einem System, das seine Bürger beharrlich misshandelt.

Ein junger Vater, der die Geburt seines Sohnes anmeldet, stösst bei der Bekanntgabe des gewählten Vornamens auf die Unflexibilität eines Beamten. Ein kleines Mädchen muss zum Schulanfang eine sehr strenge und bedeckende Kleiderordnung einhalten. Ein Mädchen wird von der Direktorin vorgeladen, nachdem sie angeblich von einem Jungen zur Schule gebracht wurde. Eine Taxifahrerin wird beschuldigt, ihr Auto ohne Kopftuch gefahren zu haben. Eine junge Frau hat ein Vorstellungsgespräch und muss sich mit den unpassenden Bemerkungen ihres Vorgesetzten auseinandersetzen.

Die Liste geht noch weiter: Ein Mann, der seinen Führerschein abholen möchte, wird nach seinen Tätowierungen befragt, um herauszufinden, ob er geistig gesund ist. Ein Arbeitssuchender muss nachweisen, dass er gute religiöse Kenntnisse und Praktiken besitzt, um einen Job zu bekommen. Ein Regisseur muss so ziemlich den gesamten Inhalt seines Drehbuchs streichen, damit seine Drehgenehmigung bewilligt wird. Eine ältere Dame meldet sich auf der Polizeiwache, um ihren Hund zurückzubekommen, der ihr weggenommen wurde.

So absurd die Ausgangspunkte dieser Kurzgeschichten erscheinen, so sind auch ihre Ergebnisse. Anhand dieser Geschichten bieten Ali Asgari und Alireza Khatami einen ironischen und schonungslosen Blick auf den Alltag in Teheran und das Verhältnis der Bewohner und Bewohnerinnen gegenüber der Staatsmacht. In jedem Segment von «Terrestrial Verses» führt eine Person vor der Kamera einen Dialog mit einer anonymen Person, die nie zu sehen ist. Das Ausblenden der Gesprächspartner betont die Kälte und den Mangel an Empathie der iranischen Behörden, sowie die Vorstellung einer eingepferchten Gesellschaft.

Die statische Form von «Terrestrial Verses» mag eintönig erscheinen, aber sie ist originell. Frauen, Männer, Kinder, Erwachsene, Senioren: Der Querschnitt von der jüngsten bis zur ältesten Person zeigt, wie sehr die gesamte Gesellschaft betroffen ist. Bereits die erste Szene dreht sich um die Frage, welchen Namen die Eltern ihrem Neugeborenen geben wollen, das möglicherweise noch nicht einmal die Augen geöffnet hat. So führt jede Pointe dieser Doku-Fiktion in eine Sackgasse, die mit surrealem Humor gefärbt ist. Das alles wäre zum Lachen komisch, wenn es nicht so wütend machen würde.

Die Kurzgeschichten sind von realen Zeugenaussagen inspiriert, wie Ali Asgari und Alireza Khatami 2023 bei den Filmfestspielen von Cannes erklärten, wo der Spielfilm in der Sektion «Un Certain Regard» gezeigt wurde. Seit dieser offiziellen Vorführung wurde den beiden Filmschaffenden ein Reise- und Arbeitsverbot auferlegt.

22.04.2024

4

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