Yoyo Frankreich 1965

Filmkritik

Die Welt als Zirkus

Michael Lang
Filmkritik: Michael Lang

Der sensationelle Erfolg des französischen Neo-Stummfilms The Artist hat bewiesen, dass dieses Genre auch das Hightech-Publikum noch immer zu verzaubern vermag. Umso schöner, dass nun - nach einem jahrzehntelangen Aufführungsverbot wegen Rechtshändeln – die melancholische, in Schwarzweiss gedrehte Komödie YoYo aus dem Jahre 1964 endlich doch noch ins Kino kommt. Gedreht hat sie der 1928 geborene Cineast, Schauspieler, Clown und Autor Pierre Étaix.

YoYo handelt von einem Millionär, der in seiner Riesenvilla in der französischen Provinz einem Leben in Luxus frönt. Allerdings langweilt er sich zunehmend und trauert vor allem seiner grossen Liebe nach, der Kunstreiterin Isolinah. Eines Tages gastiert eine Zirkustruppe auf seinem Gelände, zu der auch die endgültig verloren geglaubte Schöne gehört. Mit dabei ist der gemeinsame Sohn YoYo. Er tritt bereits als kleiner Clown in der Manege auf und lernt endlich seinen Vater kennen. Das Glück scheint perfekt, bis im Jahr 1929 das Schicksal unbarmherzig zuschlägt. Die Weltwirtschaftskrise treibt auch YoYo und seine Eltern in den Ruin. Doch man rappelt sich auf, gründet einen eigenen kleinen Wanderzirkus und entdeckt auf der Tournée durchs Land die Reize des einfachen Daseins.

Pierre Étaix schildert das als charmante Hommage an die Ursprünge des Kinos, also mit den pantomimischen Mitteln des Stummfilms. Von heiterer Melancholie umflorte Alltagsepisoden spiegeln das tägliche Leben und den noch etwas behäbigen Geist jener Zeit. Nach einer halben Stunde und einem Zeitsprung von zehn Jahren ändert sich das dramatisch. Es beginnt eine Zeitreise in die Moderne, der Tonfilm hält Einzug. YoYo ist jetzt erwachsen, wird ein international gefeierter Komiker und ein erfolgreicher Unternehmer im Showbusiness. Dabei schlägt Étaix einen szenischen Zeitbogen, von den Wirren des 2. Weltkriegs bis hinein in die Ära von Konsumwut und schriller Fernsehkultur.

Die Hauptrolle spielt Regisseur Pierre Étaix übrigens selber, ein Künstler, der notabene in den Fünfzigerjahren bei seinem Vorbild Jacques Tati als Gag-Autor tätig gewesen war. YoYo ist ein sorgsam restauriertes, an Pointen reiches, mit ironischen Verweisen auf die Zeitgeschichte gespicktes Sittenbild. Ganz frei von oberlehrerhafter Nostalgie, dafür mit viel Humor und dem Flair für die zeitlose Magie der märchenhaften Sehnsucht nach dem Künstlerleben. Wahrlich, eine Perle der Filmkunst!

20.11.2012

5

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