Filmkritik
Extravagantes Benehmen
"Improper Conduct" war ein Stempel, der in Kuba den verschiedensten Leuten aufgedrückt werden konnte - mit verheerenden Folgen für die Betroffenen. Entsprechend breit ist denn auch das Thema des Films, was es schwer macht, ein Zentrum zu finden. Gemeinsam ist den Intellektuellen, den Schwulen und den Prostituierten (Lesben werden nur am Rande erwähnt) nur genau das: Ihr Benehmen wurde als 'improper' gewertet.
Mehrheitlich zu Wort kommen in Néstor Almendros' und Orlando Jiménez Leals Film schwule Männer beziehungsweise Männer, denen Homosexualität nachgesagt wurde - was letztlich keinen Unterschied machte - und Intellektuelle, die vielfach ebenfalls unter dem Vorwand der Homosexualität in Arbeitslager, sogenannte UMAPs, oder ins Gefängnis gesteckt wurden. In Interviews erzählen sie in einem ersten Teil von ihrer Verhaftung und den Bedingungen, unter denen sie dort zu leben gezwungen wurden. Im zweiten Teil versuchen Betroffene - unter ihnen Reinaldo Arenas, G. Cabrera Infante, Juan Goytisolo - im Gespräch herauszufinden, was sich der kubanische Staat von seinem brutalen - und dementierten - Vorgehen erhoffte.Es gab verschiedene Gründe, warum jemand dem Kubanischen Staat nicht geheuer sein konnte. Die Bezeichnung dafür: "Improper Conduct". Die Folge: Gefängnis oder Arbeitslager. Néstor Alméndros und Orlando Jiménez Leal führen in ihrem Dokumentarfilm von 1984 Interviews mit Betroffenen.
Néstor Almendros ging mit achtzehn Jahren aus dem francistischen Spanien nach Kuba. Seine Ausbildung erhielt er in New York, ging jedoch nach Castros Machtübernahme zurück, arbeitete als Dokumentarfilmer zunächst in Castros Interesse, verliess das Land 1962 jedoch wieder, weil zwei seiner Filme verboten worden waren. Er arbeitete als Kameramann unter anderem für François Truffaut, erhielt in dieser Funktion für Terrence Malicks "Days of Heaven" den Oscar und für "Le Dernière Metro" den César. Während zweiundzwanzig Jahren trug er sich mit dem Gedanken an einen Film über die Verfolgung von kubanischen Intellektuellen und Homosexuellen, den er mit "Improper Conduct" schliesslich realisierte.
Als der Dokumentarfilm 1984 zuerst gezeigt wurde, war die Aufnahme beim Publikum nicht nur wohlwollend, kratzte er doch am Bild des kommunistischen Paradieses, als das manche Kuba sehen wollten. Siebzehn Jahre nach seiner Produktion dürfte der Film kaum mehr als Stein des Anstosses empfunden werden. Anlass, ihn ins Programm zu nehmen, ist Julian Schnabels erfolgreiche Verfilmung von "Before Night Falls", der Autobiographie des kubanischen schwulen Autors Reinaldo Arenas.
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