Filmkritik
Ästhetischer Alptraum aus Asien
Schwer verdauliche Kost serviert der japanische Regisseur Takashi Miike: "Audition" beginnt als kühle, aber romantische Beziehungsgeschichte und wandelt sich schleichend in eine abgründige Vision aus Folter, Verstümmelung und Erniedrigung.
Dieser Film ist nichts für schwache Nerven, sondern ein Wolf im Schafspelz. Das Raubtier versteckt seine Zähne zu Beginn allerdings unter der Oberfläche. Die Kamera folgt dem Geschäftsmann Aoyama Shigeharu (Ryo Ishibashi), der nach dem Tod seiner Frau alleine mit seinem Sohn lebt und langsam vereinsamt. In der Kühle und Distanziertheit der japanischen Gesellschaft scheint es ihm schwer zu fallen, eine neue Frau zu finden. Sein Leid klagt Aoyama einem Freund (Myuki Matsuda), der als Produzent für eine Fernsehstation arbeitet, und dieser hat auch bald einen Schlachtplan zur Hand: Er fingiert einen Vorsprechtermin für eine Fernsehserie, zu dem ausschliesslich Nachwuchsschauspielerinnen eingeladen sind. Aoyama soll die Kandidatinnen begutachten und die Frau seiner Wahl küren.
Soweit ist "Audition" eine ruhige, besonnene Geschichte, die sich zur zarten Romanze entwickelt, als Aoyama in der engelhaften Asami (Eihe Shiina) tatsächlich seine Wunschfrau gefunden zu haben scheint, die ebenso einsam ist wie er. Es kommt zu einer behutsamen Annäherung, doch als die Angebetete plötzlich spurlos verschwindet, beginnt Aoyama in ihrer Vergangenheit herumzustöbern.
Ab diesem Moment zerbröckelt für den Geschäftsmann und Vater die Realität, wie er sie als normal hingenommen hat, und um seine Prinzessin öffnet sich ein Abgrund aus dunklen Obsessionen, Rachegelüsten und finsteren Erinnerungen. Auf filmischer Ebene vollzieht Regisseur Miike diesen Wandel, indem er die Grenzen von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft immer stärker verwischt, bis sich die Zeitebenen nicht mehr linear aufdröseln lassen. Aoyama gerät in einen Strudel aus Realität und Albtraum, auf dessen Höhepunkt er sich plötzlich gelähmt auf dem Wohnzimmerboden wiederfindet, während Asami Folterwerkzeug auspackt.
Miike erzeugt einerseits eine surreale Atmosphäre, hält aber mit der Kamera gleichzeitig schonungslos realistische Grausamkeiten fest, vor denen sich Mary Harrons "American Psycho" erfolgreich gedrückt hat, und die wohl auch im europäischen Kinoschaffen schwer vorstellbar sind. Miike schaut nicht weg und produziert Szenen, die Ästhetik mit Barbarei kombinieren und definitiv nicht für empfindliche Mägen geeignet sind.
Der zweifellos aussergewöhnliche Streifen, der schon 1999 entstand, erntete auf internationalen Filmfestivals Lorbeeren: In Rotterdam gewann er letztes Jahr sowohl den Preis der internationalen als auch der niederländischen Filmkritik und am "Fantasia Filmfest" in Toronto den Publikumspreis. Nicht zuletzt diese Erfolge machten Takashi Miike, der bis anhin eher als Produzent von B-Movies und Videoproduktionen von sich reden machte, zu einem begehrten Namen im asiatischen Kino.
Dein Film-Rating
Kommentare
Dieser Film ist wirklich nichts für schlechte nerven. Meiner Meinung nach sehr gut auf den Showdown vorbereitend. Die letzten 20 wirklich nicht leichtvertragbaren Minuten gehören auch mit dieser Härte zu diesem Film.
Wer sehr reale Bilder und blut verträgt empfehle ich diesen Film, speziell wegen der Story auf jedenfall zu besuchen.… Mehr anzeigen
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