Holy Smoke Australien, USA 1999 – 114min.

Filmkritik

Holy Smoke

Filmkritik: Gerhard Schaufelberger

Wann haben Sie sich zum letzten Mal gefragt: Woran glaube ich eigentlich? Jane Campion (An Angel At My Table, The Piano) bläst zum Angriff auf Tabus: Kate Winslet als Mädchen aus gutbürgerlichem Haus verfällt einem indischen Sektenkult. Harvey Keitel in der Person des Exorzisten soll sie wieder auf den rechten Weg zurück bringen. Gekonnt inszeniert und meisterhaft gespielt, krankt dieses Psychodrama an einem schwachen und unplausiblen Ausgang.

Ruth (Kate Winslet), eine junge, bildschöne Australierin wird auf einer Indienreise Novizin eines Personenkults, worauf ihre Freundin und Reisebegleiterin Prue (Samantha Murray) vor Schreck die Flucht ergreift und überstürzt nach Australien zurückkehrt. Obschon Ruths Eltern an der wie ein Boulevard-Artikel klingenden Schilderung Prues zweifeln, fühlen sie sich dazu verpflichtet, ihre Tochter aus den Fängen des Gurus Chiddâtma Baba ("der das Selbst gespaltet hat, der Vater") zu retten. Ihre Mutter (Julie Hamilton) fliegt sofort nach Indien, wo sie die euphorisierte junge Frau durch den erlogenen Bericht von der schweren Krankheit des Vaters in die Heimat zurück lockt.

Die brave Familie, der biedere Papa, der weder zu seiner Glatze noch zu seinen unehelichen Kindern steht, die Mama, die Angst hat vor allem, was schmutzig ist und unmoralisch, hat für viel Geld den smarten amerikanischen "spirituellen Experten" P. J. Waters (Harvey Keitel) engagiert. Der soll die Widerspenstige nach seiner so einfachen wie zuverlässigen Methode "deprogrammieren": 1. Isolation und Gewinn des Vertrauens. 2. Provokation, aufhören, nett zu sein. 3. Das ideologische Gebäude der Patientin demontieren; diese bricht zusammen, nachdem sie Horror-Dokumentarfilme über die Manson-Familie und andere Wahnsinnige hat mitansehn müssen.

Nach 189 Erfolgen wähnt sich P.J. eines weiteren sicher, doch der Kaugummi kauende Mann mit dem schwarz gefärbten Haar macht die eigene Zuversicht durch seine Unfähigkeit zunichte, Distanz und Nähe zu seiner Patientin zu kontrollieren. Ruths sagenhafte erotische Ausstrahlung wird zur Waffe gegen den anstürmenden Zerstörer ihrer neuen Ideale und für diesen zum Fallstrick seiner wankenden Psyche. Als seine Freundin und Mitarbeiterin Carol (Pam Grier) ihm zu Hilfe kommen will, findet sie ihn dem Durchdrehen nahe nackt unter der Dusche. Die beiden Hauptfiguren zerbrechen an gegenseitiger Erniedrigung, und an der eigenen Wahrheit, die sie dadurch zu Tage bringen, um sich zum Schluss wider allen Abscheu doch noch aneinander aufzurichten.

Kate Winslet bringt den Widerspruch von Ruths körperlicher Fülle und Anmut zu ihrer Strenge und Verachtung gegen das Unhübsche, Alternde an sich selbst und an dem Menschen P.J. mit hoher Präsenz und gewaltiger Emotionalität zum Ausdruck. Harvey Keitel mimt den Zusammenbruch des Therapeuten und dessen totale Selbsterniedrigung mit einer Bizarrheit, die an seinen schaurigen Part als reuiger Sünder in Abel Ferraras Bad Lieutenant, (1992) erinnert.

Campion bricht Tabus auf lustvolle Weise: Eitelkeit und Stolz, der krampfhaft verschönte tägliche Wahn der Menschen, die einem von Werbefilmen und Lifestylezwängen, von Alkohol und pingeliger Ordnung geprägten "westlichen" Weltbild huldigen, werden durch eingestreute epische Seitenhiebe gegen die verlogenen bis dümmlichen Nebenfiguren ins Visier genommen. Deren Darstellung grenzt oft ans klamottenhaft Peinliche. Ein vortrefflich provokatives Psychodrama läge hier vor, verunstaltete nicht ein unplausibles und vollkommen deplatziertes Happy End die erschütternde Tragik der Schlussequenz.

31.05.2021

3

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Kommentare

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movie world filip

vor 12 Jahren

jane campion geht weiter mit harvey keitel... und wieder eine erotische geschichte... diesmal unterhaltsahm aber nicht so git wie the piano. kate winslet spielt aber gut.


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