Shower - Xizao China 1999 – 94min.

Filmkritik

Xizao - Das Bad

Filmkritik: Wojciech Simson

Welch existentielle Abgründe sich zwischen einer schnellen Dusche und dem geselligen Besuch eines Badehauses auftun können, erzählt der junge chinesische Regisseur Zhang Yang in seinem neuen, mehrfach preisgekrönten Spielfilm. Mit Pfiff und Ironie entkleidet er vor der Kamera drei Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch füreinander Vater, Sohn und Bruder sind.

Das alte Peking: Die engen verschlafenen Gässchen; die einstöckigen Häuschen mit den kleinen Innenhöfen; ein traditionelles Badehaus, in dem es sich die alten Männer mit Tratsch, Schachspiel oder Grillenkampf auf ihre alten Tage gemütlich machen. Bademeister Liu balbiert und massiert seine Gäste, sorgt aber auch für ihr seelisches Wohl - schlichtet Streitereien oder löst Eheprobleme. Im eigentlichen Mittelpunkt seiner Obhut steht aber sein zweitältester Sohn, der geistig behinderte Erming: Das ausgewachsene Mannsbild von einem Kindskopf geht seinem Vater bei der täglichen Arbeit zur Hand und treibt wo es kann seinen Schabernack. Vater und Sohn sind ein Herz und eine Seele und nur einer fehlt: Der grosse Bruder Daming. Der ist hier nicht mehr zu Hause und frönt statt dessen in Shenzhen, an der Grenze zu Hongkong, als properer Geschäftsmann mit Schlips und Kragen einem schnelleren aber auch schaleren Lebensstil. Da schreckt ihn eine rätselhafte Postkarte seines geistig zurückgebliebenen Bruders auf und holt ihn wieder nach Peking. Mit sichtlichem Befremden versucht er sich im heimischen Badehaus wieder zurechtzufinden. Der kühle Mann aus der Welt des grossen Geldes kann aber in dieser von menschlicher Wärme durchatmeten Umgebung nicht recht auftauen und bleibt ein Fremdling in seinem eigenen Zuhause.

Doch auch an dieser Welt der alten Männer ist die Zeit nicht spurlos vorbeigegangen: Durch das Badehaus dröhnt nicht mehr die traditionelle Pekingoper, sondern das italienische "O sole mio", in die Grillenkämpfe schleicht sich der Doping-Verdacht, die Mafia stöbert einen im Badewasser untergetauchten Schuldner auf. Bademeister Liu lässt sich dadurch aber nicht aus der Fassung bringen. Sein Feingefühl und seine langjährige Erfahrung befähigen ihn nämlich, weit mehr als nur ausgekugelte Arme wieder einzurenken, auch den schief hängenden Hausfrieden bringt er immer wieder ins Lot. Bedrohlicher scheint da schon das Gerücht, das ganze Viertel werde bald niedergerissen, um für Hochhäuser Platz zu machen. Doch Liu hat schon viele Gerüchte gehört und ist zuversichtlich, dass er es nicht mehr erleben wird, wenn es denn einmal wahr werden sollte. Darin hat er mehr Recht, als man ahnt.

Nach "Aiqing mala tang" (1998) ("Scharfes Liebessüppchen") ist Xizhao der zweite Spielfilm des Regisseurs Zhang Yang. Zugleich ist es auch der zweite jenseits der staatlichen Filmindustrie produzierte Film vom chinesischen Festland. Wie schon sein Vorgänger lässt er nicht nur in China die Kinokassen klingen, sondern räumt auch an internationalen Filmfestivals die Preise ab (so in Seattle den Golden Space Needle Award oder in Toronto den International Critics' Award). Dies nicht umsonst, denn Zhang Yang weiss seine Geschichte mit feinem Humor und scharfem Blick zu erzählen. Leicht überzeichnet, doch ohne Verfremdung, führt er das vor Augen, was im heutigen China alle bewegt: Das Sterben der alten, wohlgefügten Welt und das erbarmungslose Vordringen der Moderne.

31.05.2021

4

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