Sleepy Hollow Deutschland, USA 1999 – 105min.
Filmkritik
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
"Das Geheimnis blieb mir gänzlich undurchschaubar, und ebensowenig konnte ich des Schattenvolks an Grillen Herr werden, das sich um mich Spintisierenden her zu drängen begann." So fasste Edgar Allen Poe in "Der Fall des Hauses Usher" einst jenen schwer fassbaren Reiz in Worte, der gewöhnliche Menschen immer wieder gern zu Schauerliteratur greifen lässt. Das gilt noch immer. Und es gilt vor allem im Kino.
Was wir wollen, ist der Überraschungsangriff auf die Sinne, effektvolle Lagerfeuergeschichten, die Irritationen und masslos teuren (oder billigen) Bilder, die im Zusammenhang nicht einfach einen "schönen Kinoabend" machen. Deshalb: komm mit nach Sleepy Hollow und erlebe, wie 1799 der Aufklärer Ichabod Crane (Johnny Depp) mit wissenschaftlichem Verstand, einem seltsamen Doktorkoffer sowie anderen untauglichen Mitteln, das Geheimnis des kopflosen Reiters zu lösen versucht, sich in Christina Ricci verliebt und schliesslich im düsteren Märchenreich von Sleepy Hollow die Köpfe gleich reihenweise fallen sieht.
Aus einer ökonomischen Erzählweise hat sich der Regisseur von "Sleepy Hollow" noch nie viel gemacht, und was bei ihm abläuft, tut es meist ohne viel Sinn. Tim Burton kann sich das erlauben, ist er doch seit dem durchschlagenden Erfolg von Batman (1989) aus dem Schneider und geniesst Narrenfreiheit. Auch seine Reputation als visueller Visionär verdankt er nicht systematisch eigensinniger Filmerei, sondern dem Glück, dass man sein Kuddelmuddel aus gefühlsintensiven Kindheitserinnerungen (Bubblegum-Bildchenserien in Mars attacks!, Comics in Batman und Batman returns, Trashfilme in Ed Wood, Märchen und Legenden in Edward Scissorhands, Gespenster in Beetlejuice, Monster in Pee-Wee's Big Adventure), mittlerweile als - "aha, Tim Burton" - unverwechselbaren Stil akzeptiert hat. Dass sein neuster Film "Sleepy Hollow" nun trotzdem einer Art Programm folgt, stellenweise sogar Fragen aufwirft, ist demnach nicht Burtons Verdienst. Vorgearbeitet und nachgeholfen haben da ein genialer Produzent sowie ein versierter Autor.
Produziert hat Francis Ford Coppola, und sein Programm heisst seit Bram Stoker's Dracula und Mary Shelley's Frankenstein: Rückführung legendärer Kinomonster auf ihre literarischen Wurzeln. So wurde aus dem Horrorfilm Dracula 1992 eine rasante Kostüm-Pulp-Fiction, die gleichzeitig mit List eine Art Filmgeschichte erzählte und nebenbei zeigte, wie sich das Kino als billiges Jahrmarktvergnügen beim Trivialroman bediente und dessen grosse Gefühle mit optischen Taschenspielertricks zur "Wahrheit" aufblies. Zwei Jahre später erlitt das Konzept mit Mary Shelley's Frankenstein (Regie: Kenneth Branagh) dann Schiffbruch. Aber noch hielt Coppola ja Washington Irving's "The Legend of Sleepy Hollow" in Händen. In Europa wenig bekannt, gehört diese 1820 erstmals publizierte Geschichte in den USA zum Schulpflichtstoff, und ist dort bei Schülern etwa so beliebt wie hierzulande Schillers "Glocke". Bei diesem Ruf ist es nicht erstaunlich, dass in einer späteren Phase des Filmprojekts Autor Andrew Kevin Walker an Bord geholt wurde. Der hatte mit seinem Drehbuch zu Se7en erfolgreich für neuen Horror im amerikanischen Film gesorgt, und so wandelte sich unter seiner Ägide der ursprünglich ziemlich betuliche Stoff in ein abgründiges Spektakel. Aus dem verschnupften Dorflehrer Ichabod Crane wurde ein verdrehter Wissenschaftler mit kriminalistischer Aufgabe; aus der lehrmeisterlichen Parabel wider volkstümlichen Geisterglauben ein nebelverhangenes Stück über den Gegensatz von Vernunft und Aberglauben, versinnbildlicht im dumpf mordenden Reiter ohne Kopf.
Zusammen mit wunderbaren Schauspielern - allen voran Johnny Depp, der den Ichabod Crane als liebenswert steifen Trottel gibt -, haben Burton und seine technische Crew diesen ewigen Widerspruch brilliant in die Architektur, die Skulptur, in Kostüme und Licht, in den Ton des Films eingeschrieben, und damit die Szenerie zu solch krankhafter Lebendigkeit erweckt, dass schliesslich allem Gradlinigen, Vernünftigen und historisch Korrekten der Garaus gemacht wird: expect the unexpected. Es entrollt sich ein Traum zwischen Schrecken und Komik, ein Märchen zwischen Schrecken und Begehren, wo Künstliches natürlich, die wilde Natur kunstvoll gezähmt wirkt. Fortgetragen von diesen Tableaus, die mit den moralischen Horrorbildern eines William Hogarth (1697 - 1764) oder Francisco Goya (1746 - 1828) nicht nur Ähnlichkeiten, sondern auch die irritierende Wirkung teilen, taucht der Zuschauer ein in eine Welt, deren wirklicher Star die würgende Pracht der Krähwinkel-Häuser von Sleepy Hollow ist - jener Ort, wo Craine einem Monster nachjagt, nur um merken zu müssen, dass eigentlich die ganze Welt eine seltsam verkommene ist. Tim Burtons Unbeherrschtheit, seine naive Freude am zitieren alter Horrorfilme, am assoziativen Herumgeflirre erweisen sich für einmal als Segen. Zum Schluss wünscht man sich, all das nicht gewusst zu haben, und noch einmal, als verschreckter Vierzehnjähriger, sich keinen Reim auf das eben Erlebte machen zu können.
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Kommentare
Schöne Bilder, Grusel, wunderschöne Musik und geniale schauspielerische Leistung! TOP FILM (und ich kann Ihn trotz meiner Phobie vor Enthauptung anschauen! ^^)
dunkle esthätisch sehr starke burton mit die verrcktesten geschichten die er fabelhaft in film umsetzt. Der mann ohne Kopf, unvergesslich cooler horrortrip.
Sleepy Hollow ist ein toller Film - sogar einer meiner Lieblingsfilme, der Film ist spannend, gruslig und witzig zugleich - Johnny Depp in einer seiner Glanzrollen:)
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