The Insider USA 1999 – 138min.

Filmkritik

Starker Tabak aus Pall Mall Land

Serge Zehnder
Filmkritik: Serge Zehnder

Ein Flächenbrand im "Pall Mall Country" verschlingt Pferde und Kälber, die Cowboys suchen das Weite. So etwa - als Werbespot gedacht - muss es 1996 bei der Tabakfirma Brown & Williamson ausgesehen haben, als ein ehemaliger Mitarbeiter beschloss, über die Machenschaften der Firma auszupacken. Michael Manns packendes Doku-Drama mit Al Pacino und Russel Crowe wurde für sieben Oscars nominiert.

Nachdem er Al Pacino und Robert DeNiro in Heat aufeinander losgelassen hat, wendet sich Michael Mann nun einem Thema zu, das inhaltlich eine völlige Kehrtwendung zu sein scheint. Doch wie schon die Gangster-Saga bezieht "The Insider" einen nicht unbeachtlichen Teil seiner Stärke aus den Leistungen seiner beiden Hauptdarsteller. Russell Crowe und Al Pacino liefern neben Brad Pitt und Edward Norton in Fight Club das beste Schauspielerduell des Jahres. Und dabei stehen sie beide auf der gleichen Seite im Kampf gegen die Milliardenindustrie der Zigarettenhersteller. Ein Kriegsgebiet, das wohl den wenigsten Europäern vertraut ist.

Jeffrey Wigand (Crowe) ist Chemiker und arbeitet in den Labors der viertgrössten Tabakfirma der USA. Eines Tages wird er unter fadenscheinigen Begründungen entlassen. Der hohe Lebensstandard des Familienvaters ist bedroht. Per Zufall begegnet er dem Journalisten Lowell Bergmann (Pacino), einem Produzenten der erfolgreichen Nachrichtensendung "60 Minutes". Bergmann, ein Spürhund der alten Schule, riecht die grosse Story und beginnt zu recherchieren. Wigand, vertraglich zum Schweigen verpflichtet, wird von seinem Gerechtigkeitssinn immer tiefer in einen Gewissenskonflikt getrieben. Sagt er etwas, wird er wegen Vertragsbruch angeklagt und verliert die Sozialunterstützung seines ehemaligen Arbeitgebers. Verweigert er die Aussage, ist es den Industrieköpfen weiterhin möglich, ihren Glimmstengeln abhängigkeitsfördernde Substanzen beizufügen, ein Umstand, der zusätzliche Brisanz dadurch erhält, dass die sieben Generaldirektoren von Amerikas Zigarettenindustrie vor dem obersten Gerichtshof geschworen haben, dass Zigaretten nicht süchtig machende Produkte sind. Das Dilemma ist offensichtlich, und es wird von Mann mit perfekter Präzision analysiert.

Die Maschinerie läuft, und ist man einmal Teil von ihr, kann es einem schnell so ergehen wie Chaplin in "Modern Times". Todesdrohungen treiben den Chemiker zusehends in den Wahnsinn. Gleichzeitig hat der Journalist mit Bürokratie und Korruption innerhalb seines Fernsehsenders zu kämpfen. CBS wird von Brown & Williamson gezwungen, das enthüllende Interview, das Wigand für "60 Minutes" gegeben hat, nicht zu senden. Am Ende bleibt Bergmann nichts anderes übrig, als selbst zum Insider zu werden.

Dieser starke Tobak aus Industriekriminalität und journalistischem Ethos hätte in den Händen eines anderen Regisseurs leicht zum TV-Drama mit grossangelegtem Happy-End geraten können. Michael Mann aber lässt wie immer keinen Stein auf dem anderen und konzentriert sich stets auf die innere Entwicklung seiner Figuren. Besonders Russel Crowe, der die Last der Welt auf seinen Schultern trägt, gibt hier eine offenbarende Darbietung. Pacino ist in gewohnter Top-Form. Kombiniert mit Michael Manns exzellentem Auge und der ebenfalls für einen Oscar nominierten Arbeit von Kameramann Dante Spinotti ergibt das ein sensationelles Doku-Drama, dem man schlimmstenfalls seine etwas unterkühlte Analyse vorwerfen könnte.

05.08.2021

5

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Kommentare

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movie world filip

vor 13 Jahren

starker mann, starker pacino und überaschend starke russell crow... aus eine serie sehr starke films von michael mann, folgen noch ali, collateral, miami vice u. a.


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