Filmkritik
Wo de fuqin muqin - Mein Vater und meine Mutter
Mit wenigen Worten aber umso beredteren Bildern schildert Zhang Yimou, der Altmeister des chinesischen Films, die schlichte Liebesgeschichte eines Dorfschullehrers und eines Landmädchens. Durch die politische Willkür der Kulturrevolution werden sie jäh auseinander gerissen, doch nach langer Trennung finden sie schliesslich doch wieder zusammen. Mit seinem neusten Werk holte Zhang einmal mehr den Silbernen Löwen an den Berliner Filmfestspielen.
Die Geschichte wird erzählt vom einzigen Sohn der beiden Helden, der in der Stadt Karriere macht, aber beim Tod seines Vaters mitten im Winter zurück aufs Land gerufen wird. Angesichts seiner trauernden Mutter und der trauten Umgebung gedenkt er der Liebesgeschichte seiner Eltern. Aus den frostigen Schwarzweissbildern entführt seine Erzählung den Zuschauer in eine von warmen Farben durchflutete Herbstlandschaft. Vor diesem Hintergrund lässt er die alte Welt wieder aufleben, in der Mann und Frau noch streng getrennte Wege gingen und in der nicht ihre Herzen, sondern der Ratschluss ihrer Eltern über eine gemeinsame Zukunft zu entscheiden hatte. Dort und damals nimmt die Geschichte seiner Eltern ihren Anfang: Als der Blick der jungen Zhao Di auf den eben angekommenen neuen Dorflehrer fällt, hat sie es schwer, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es entspinnt sich ein subtiles Spiel verstohlener Blicke, unscheinbarer Aufmerksamkeiten und neckisch arrangierter Zufälle. Gerade aber als die Liebenden zueinander finden, bricht schon der Winter herein und mit ihm die eiskalte politische Realität - die Kulturrevolution.
Wie jeder gebildete Chinese jener Zeit fällt auch der Dorfschullehrer in die Kategorie der "Rechtsabweichler" und muss das Dorf wieder verlassen, um sich politischen Schulungen zu unterziehen. Sehnsüchtig erwartet Zhao Di seine Rückkunft. Als er am erwarteten Tage aber nicht eintrifft, macht sie sich verzweifelt zu Fuss auf den weiten Weg in die Stadt. In der Eiseskälte bricht sie aber zusammen und wird halb erfroren von Dorfbewohnern wieder nach Hause gebracht, wo sie im Fieber darniederliegt. Der Dorfvorsteher gibt schliesslich dem Lehrer in der Stadt Bescheid. Dieser entfernt sich von seinen staatlich verordneten Schulungen, um unverzüglich ans Krankenbett zu eilen. Das heilt Zhao Di zwar von ihrem Fieber, aber dafür wird ihr Geliebter für seinen Ausreisser zu zwei Jahren Umerziehung verurteilt...
Zhang Yimou lässt seinem Film mit einer Hommage an die verfallenden Werte der chinesischen Kultur enden - die Liebe der Kinder zu ihren Eltern und die Ehrfurcht vor der Bildung, der Tradition und den Lehrern, die sie vermitteln. Ähnlich wie in seinem letzten Film, "Yi ge dou bu neng shao" aka "Not One Less" arbeitete Zhang auch in seinem neusten Werk zum grossen Teil mit Laiendarstellern oder - wie im Falle der beiden Hauptrollen - mit sehr jungen, unerfahrenen Schauspielern. Dies gibt seinen fein komponierten Bildern immer wieder eine ungekünstelte Lebendigkeit und Frische, der Liebesgeschichte und ihrer bezaubernden Heldin aber eine für den mit Laszivitäten überschwemmten Zeitgenossen geradezu schockierende Unschuld.
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Kommentare
Eine trauernde Frau besteht darauf, ihren toten Gatten einer alten Tradition nach an seinen Wohnort tragen zu lassen. Dies ist für alle Beteiligten mit einem enormen Aufwand verbunden und man kann anfangs nicht ganz nachvollziehen, warum die Frau so auf dieser Tradition besteht.
Am Ende des Films jedoch - nachdem man die Geschichte und den beschwerlichen Weg dieser Liebe mitdurchlebt hat - würde es unlogisch erscheinen, wenn diese Frau NICHT auf dieser Tradition beharren und ihren Gatten genau auf DIESER Strasse nach Hause tragen lassen würde. Man schämt sich fast, sich jemals angemasst zu haben, diese Tradition zu hinterfragen und möchte dem Toten gleich selbst die letzte Ehre erweisen und im Trauerzug mitmarschieren!… Mehr anzeigen
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