19 Japan 2000 – 82min.

Filmkritik

Japanisch für Fortgeschrittene

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Eine Seefahrt, die ist lustig, weiss hierzulande der singende Volksmund. In Japan ist es eine Entführung, lustiger zumindest, als man denkt. Wenn das denn eine Entführung ist in Kazushi Watanabes Roadmovie: Mehr Fragen als Antworten zu einem Rätsel von Film.

Es fährt ein Student auf der Vespa nach Hause. Ein Wagen hält ihn an, drei Typen drin, man fragt nach dem Weg. Höflich, wie der Japaner ist, bietet er Hand, nickt hai hai, aber ha ha, es war eine Falle. Diese Jungs sind nicht verloren, sie wollen ja nur einen Gespielen. So beginnt eine Reise, die einem Familienausflug gleicht, trotz Einkaufsbummel und Zoobesuch aber eine Entführung ist. Hier ist ein junger Mensch gefangen, und er leidet, aber nicht sehr lange. Oder beginnt sein Albtraum erst, als er plötzlich wieder frei ist?

Sein Roadmovie beruhe auf einer wahren Begebenheit, behauptet Regisseur Kazushi Watanabe, und es gibt wenig Grund, ihm nicht zu glauben. Ein Film so rätselhaft wie sein Titel: Ihn allein bedenkt die Filmkritik, als sei er der Vers einer späten Hymne Hölderlins. Ob mit "19" - symbolisch - das Alter der jungen Gangster gemeint ist? Oder ist der Titel biographisch zu lesen? 19 war Watanabe, da man im Sushiland seine paar Super-8-Minuten preiskrönte, die er zum ersten Langfilm ausbaute. Und wer nicht zählen will, darf hören: 19 Episoden sind es, die Watanabe zu seiner Geschichte reiht, die von nicht viel mehr berichtet als einer Jugend ohne Plot.

Seltsam ausgewaschen sind diese Bilder, wie eine Bluejeans nach dem 1001. Gang in die Waschmaschine. Infolge mehrfachen Materialwechsels, sagt Watanabe. "19" wurde auf Super-16mm gedreht, digital nachbearbeitet, auf 35mm übertragen. Fast schwarz-weiss ist die Welt geworden, nur da und dort schimmert etwas blässlich in Farbe. Das Shirt. Ein Gesicht. Hippe Oberfläche, möchte man grummeln. Aber ist das nicht auch die bildliche Entsprechung jener eigentümlichen Sinnlosigkeit, die diese Figuren und ihr Handeln bestimmt? Ein Leben als Leere, Langeweile, Lethargie? Warum entführt man jemand, und lässt ihn einfach wieder frei? Warum flieht der Entführte nicht, als ihm am Strand eine Chance sich bietet? Warum warum?

Kazushi Watanabe beschreibt vertrackte Zustände, so wenig ist sicher. Der Student flieht nicht vor seinen Entführern, weil sie ihn in eine Welt retten, die ihm besser erscheint als die seines Alltags. Woraus folgt: Diese Entführung ist keine Entführung ist eine Befreiung. Bloss, und das ist das Perfide an Watanabes Erstling: Auch diese, nein, nicht schöne neue Welt funktioniert nach den genau gleichen Regeln jener, deren Gegenentwurf sie zu sein scheint. Hierarchisch ist sie, kalt, und keiner kennt den anderen. Bloss merkt das keiner, am wenigsten der Student. Und dazu spielt eine Gitarre, sie tönt wie bei Jim Jarmusch in "Dead Man". Walking. Over.

25.01.2021

3.5

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