Together Dänemark, Italien, Norwegen, Schweden 2000 – 102min.

Filmkritik

Zwischen ABBA und Marx

Filmkritik: Senta van de Weetering

Sind die Siebzigerjahre Thema, so schwankt die Diskussion gewöhnlich zwischen sentimentaler Verklärung und Überheblichkeit, zwischen modischem Revival und Entsetzen über die Ästhetik dieser Epoche. Der einunddreissigjährige Schwede Lukas Moodysson entzieht sich als Drehbuchautor und Regisseur im Film "Tillsammans - Together" jedoch allen abgedroschenen Vorstellungen und zeichnet ein so humorvolles wie differenziertes Bild seiner Elterngeneration.

Stockholm, 1975: Ein Teil der Zwanzig- bis Dreissigjährigen versucht, der kleinbürgerlichen Enge ihrer Umgebung alternative Lebensmodelle entgegen zu setzen. In der Wohngemeinschaft "Tillsammans" (Gemeinsam), suchen acht Erwachsene mit drei Kindern nach einer neuen Art des Zusammenlebens, abseits von Kleinfamilie und Kapitalismus. Hier treffen sich der marxistisch-leninistische Anarchist (Olle Sarri) und die Polit-Lesbe (Jessica Liedberg), der Softie (Gustaf Hammarsten) und der linksalternative Zyniker (Ole Norell). Fernseher, Fleisch und Kriegsspielzeug sind tabu. Über den nicht erledigten Abwasch werden politische Grundsatzfragen abgehandelt. Das Nachbarehepaar beobachtet das Treiben durch den Feldstecher.

Was an Bildern über die frühen Siebzigerjahre in heutigen Köpfen spukt, wird aufgefahren, so scheint es auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick jedoch zeichnet Lukas Moodysson jede einzelne Figur viel zu differenziert und respektvoll, als dass für Klischees Raum bliebe. Selbst die Nachbarsfrau, am Anfang Inbegriff aller Spiessigkeit, gewinnt im Laufe des Films Profil, wenn sie sich vor ihren Sohn und gegen ihren Mann stellt.

Elisabeth (Lisa Lindgren), die Schwester des gutmütigen WG-Bewohners Göran, lebt in konventionellerem Rahmen – bis sie von ihrem betrunkenen Mann (Michael Nyqvist) geschlagen wird. Kurz entschlossen packt sie ihre beiden Kinder und sucht in der WG Tillsammans Zuflucht. So treffen zwei verschiedene Welten aufeinander. Moodysson vermeidet es geschickt, sie in einen billigen Kontrast zu setzen. Die MitbewohnerInnen reagieren unterschiedlich. Elisabeth gelingt es rasch, sich in dem Provisorium einzuleben, die beiden acht- und dreizehnjährigen Kinder jedoch vermissen ihren Vater und bringen den in ihren Augen ausgeflippten Mitbewohnern wenig Verständnis entgegen.

Mit der Teenager-Geschichte "Fucking Åmål" hat der schwedische Regisseur Lukas Moodysson 1999 europaweit einen Überraschungshit gelandet. Mit "Tillsammans -Together" knüpft er daran an. Standen dort zwei Teenagerinnen im Zentrum, so stehen die Kinder/Jugendlichen diesmal eher am Rande. Doch auch im neuen Film erreicht Moodysson die stärksten Momente dann, wenn er durch Kinderaugen auf das Treiben der Erwachsenen blickt: Die 13jährige Eva vermisst ihren Vater, verachtet ihn gleichzeitig und fühlt sich von allen im Stich gelassen. Der Blick der klugen, sensiblen Aussenseiterin auf die Kommune und ihre BewohnerInnen sorgt für einige der emotional am stärksten aufgeladenen Szenen des Films.

Eine wichtige Rolle spielt die Musik. Was einst der damals jungen Generation zur Abgrenzung diente, klingt für heutige Ohren fast so brav, wie die in denselben Kreisen verpönten ABBA. Das schwedische Quartett war für linksalternative Kreise das Feindbild schlechthin, die musikalische Verkörperung des Kapitalismus. In ihrem Heimatland hatten und haben sie jedoch eine besondere Stellung. Moodysson: "Für wahre Kenner sind ABBA-Songs die grossartigste, bewegendste Musik überhaupt. Uns Schweden war das schon immer klar. Aber gerade in den Kommunen gab es damals heftige Debatten, ob es politische korrekt sei, die superkommerziellen ABBA zu hören. Die meisten fanden, dass man ABBA hassen sollte, aber trotzdem haben sie alle gehört." Augenzwinkernd lässt sie der Regisseur in der Schlusseinstellung von "Tillsammans" einen späten Triumph über ihre ehemaligen Gegner feiern.

02.03.2024

4

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Kommentare

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Barbarum

vor 6 Jahren

Ein humorvoller Blick zurück auf die Zeit der Hippies und Kommunen.


raffi44

vor 16 Jahren

ich fand den Film genügend.


lhoios

vor 23 Jahren

Gutes eiropeisches Kino.


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