Filmkritik
Peking Express
Man kennt Paris, Rom, Berlin, New York und vielleicht auch Tokio. Und sei es nur aus dem Kino. Wer aber kennt Peking? Der Spielfilm der Chinesin Ning Ying führt eine Megametropole vor Augen, die sich in irrem Tempo wandelt: Aus der Perspektive eines Taxifahrers.
Asiatische Filme fangen zwar seit Jahren die Leoparden, Bären und all die anderen Tiere aus Edelmetall ein, welche die Welt des Films unsicher machen. Obwohl sie oft so langweilig sind wie die kaum eines anderen Kontinents. Oder ist es gerade deswegen? Die einfachen Geschichten rühren eben an, ihre einfache Metaphorik ist gut verständlich und schön photographiert sind asiatische Filme fast allesamt. Das ist ein bisschen polemischer sein als wahr, zugegeben, aber nur bis hierhin. Denn jetzt folgt das Hohelied auf eine Ausnahme.
"I Love Beijng" heisst der Streifen, Ning Ying die Regisseurin, eine Frau mittleren Alters, die ihr Filmstudium in Peking und Rom absolviert hat. Worum es in dem nach "Zhao Le" (1992) und "Minjing Gushi" (1995) letzten Teil ihrer Bejing-Trilogie geht, ist schnell erzählt. Ein junger Taxifahrer mit Namen Dezi (Yu Le) fährt berufshalber durch Chinas Hauptstadt. Das ist es. Gut, da ist noch ein wenig mehr. Aber was tun seine Scheidung, ein paar Affären, ein blaues Auge und eine Hochzeit schon zur Sache. Und, dass der junge Mann einen Volkswagen Passat fährt, ist auch nichts Verrücktes.
So im besten Sinne einfach die Kaum-Geschichte, so einfach elegant ist der erzählerische Trick. Mit dem jungen Mann in seinem Wagen ist eine Figur da, die einen an jeden Ort Pekings bringen kann. Und das ist einfach atemberaubend. Der Orte wegen: Nobelclubs, mieseste Spelunken, Hochhäuser in der Bannmeile, erbärmlichste Kellerlöcher, gigantische Glasarchitektur, die schier dem Trümmerfeld eben erst zerstörter Elendsquartiere erwächst. Der Menschen wegen: Was da sich alles versammelt! Gestalten, die unterschiedlicher nicht sein könnten, nehmen für ein paar Augenblicke Platz, um schon wieder im Gewühl der Megametropole zu verschwinden. Das alles führt eines vor Augen: Peking ist eine Grossstadt in den Zeiten des Wandels, wie ihn kaum eine Stadt der Welt je erlebt haben mag.
Genug der Superlative, nein, einen hab ich noch, nämlich fast den Schluss. Er sei hier mit dem Recht verraten, dass, von einer Kaum-Geschichte das Ende zu kennen, sie nicht der Spannung beraubt. Das Pekinger Hilton, zum Ende der Nacht. Yuppies, Edelhuren und vollkommen blaue Parvenus. Tanzen. Sitzen. Monologisieren. Sinken hin an den Tischen. Man fragt sich: Wohin soll das denn noch führen? Die Antwort ist nur ein Ahnen: Da wankt man zwischen alten Werten und einer unbekannten Zukunft.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 14 Jahren
Szenen aus dem (Liebes) Leben des Taxifahrers rauschen vorbei wie die zum teil fan-tas-tischen Beobachtungen aus dem Leben der Riesenstadt Pekings! Superfilm! Wäre neugierig, ob und wie der Film im Peking heute, bald 10 Jahre später, anders wäre.
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