CH.FILM

Les petites couleurs Frankreich, Schweiz 2002 – 94min.

Filmkritik

Schweizer Roadmovie-Komödie

Filmkritik: Eduard Ulrich

Halb Roadmovie, halb Komödie und in der Schweiz angesiedelt - kann das funktionieren? Es kann, und sogar recht gut, wie Patricia Plattner beweist. Vielleicht gewinnt sie sogar den Schweizer Filmpreis 2003 für den "Les petites couleurs" nominiert wurde. Auch wegen der hochkarätigen Besetzung mit Bernadette Lafont (Mona), Gilles Tschudi (Vladimir) und Anouk Grinberg (Christelle) darf sie sich Chancen ausrechnen.

Halb Roadmovie, halb Komödie - das "halb" meint aber nicht halbes Gelingen! Ein Roadmovie in der Schweiz würde wohl bald an die Landesgrenzen stoßen - stattdessen fährt man im Kreis oder berichtet von Fahrten nach Spanien. Auch sieht der Anfang gar nicht nach einer Komödie aus: Die junge und liebevolle Coiffeuse Christelle kehrt abends von der Arbeit heim und erfährt dort eine herbe Enttäuschung von ihrem Mann. Schlimmer als dieser Beziehungstiefpunkt ist aber wohl ihre Einsicht, dass sie an der Seite dieses groben und rücksichtslosen Mackers keine Zukunft hat. Spontan macht sie sich mit dem Firmenwagen auf die Reise und landet bald in einem Motel, welches von der famosen Mona geführt wird. Diese übernimmt mehr freiwillig als gezwungen eine beratende und beschützende Rolle und hilft Christelle wieder eine Zukunftsperspektive zu entwickeln. Restaurant und Dancing im Keller erweitern den Spielraum für Begegnungen, an denen Christelle reifen kann. Vielleicht findet sie sogar ihre große Liebe?

Auch wenn die Handlung wenig spektakulär wirkt, sie wird mit reichen und sinnfälligen Bildern realistisch inszeniert. Einige wenige plakative Ausrutscher und Figuren, die mehr Karikaturen gleichen, fallen nicht ins Gewicht. Die schwächste Szene steht am Anfang, als Christelles Mann mit seinem idiotischen und stereotypen Verhalten den Anlass für ihre Flucht liefert. Danach erleben wir die witzige Geschichte von einer Flucht, die zu sich selbst führt. Konsequenterweise geht es nicht darum, mit ungewöhnlichen Ereignissen zu überraschen, sondern vom Umgang mit typischen menschlichen Schwächen und Situationen amüsant und ehrlich zu erzählen. Dabei gelingen Plattner immer wieder berührende Bilder für Traurigkeit, Einsamkeit, Nachdenklichkeit, Selbstbewusstsein, Behauptung, Zuneigung und Freude, die uns an der Entwicklung von Christelle intensiv Anteil nehmen lassen. Plattner findet diese Bilder nicht in künstlich arrangierten Kulissen, sondern mit einem geschickten Blick auf das uns bekannte Inventar der Schweiz aus Strassen, Autos, Häusern, Räumen/Gängen und Wiesen. Eine Perle ist das unerschrockene Schieben eines Kinderwagens zwischen den bulligen Camions. Wunderbar authentisch auch Bernadette Lafont als Chefin des "Galaxy" und Gilles Tschudi als galanter Vertreter für Dessous. Die Verschränkung der Spielfilmhandlung mit einer eigens gedrehten Seifenoper, die ihrem Namen auch noch gerecht wird, darf als selbstironisches Experiment goutiert werden.

19.02.2021

4

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