Moro no Brasil Brasilien, Finnland, Deutschland 2003 – 105min.

Filmkritik

Ein Europäer auf den Spuren des Samba

Filmkritik: Eduard Ulrich

Die Suche nach den Ursprüngen des Samba in Brasilien nutzt der finnische Regisseur Mika Kaurismäki, um ein differenziertes Bild von der stilistischen und kulturellen Vielfalt der Musik- und Tanzformen zu zeichnen. Die heitere Oberfläche ausgelassener Feste verbirgt brisanten sozialen Zündstoff.

Wim Wenders' Film "Buena Vista Social Club" löste einen Boom karibischer Musik aus, der bis heute das Interesse an dieser ausgelassenen Tanzmusik wach hält. Mika Kaurismäki hat sich allerdings schon lange vorher für südamerikanische Klänge begeistert. Er stammt aus dem tango-seligen Finnland und sucht nach den Wurzeln eines anderen heißblütigen Tanzes, des Sambas. Welcher Europäer wäre dafür besser prädestiniert? Seit Jahrzehnten ist Kaurismäki mit Brasilien verbunden, er lebte viele Jahre dort und spricht fließend Portugiesisch. In allerbester Dokumentarfilmtradition nimmt uns also ein Experte mit auf eine 4000 Kilometer lange Reise zu MusikerInnen, Musik- und Tanzgruppen sowie Komponisten, die meist unbekannt geblieben sind - ganz im Gegensatz zu den InterpretInnen ihrer Werke.

Wie die Karibik bietet das Völkergemisch Brasiliens einen fruchtbaren Boden für kreative Entwicklungen, die - Not macht erfinderisch - mit einfachsten Mitteln zu neuen Klängen, Instrumenten und Bewegungsmustern führen. Brasilien gilt als arm an Rassenspannungen. Doch die riesigen Klassenunterschiede führen zu barbarischen Auswüchsen, wie in "Cidade de deus" zu sehen ist. Der Samba bietet der Unterschicht, ähnlich wie die Rock-Musik in den Industriestaaten, eine Chance aufzusteigen - eine Alternative zu Drogenhandel und Gewaltverbrechen.

Dennoch ist "Moro no Brasil" kein Film, der die Probleme betont. Lebensfreude und erfolgreiche Projekte verbreiten zu recht gute Stimmung. Beispielsweise sind an manchen Orten die Einwohner genauso stolz auf ihre Sambaschulen wie andernorts auf die Fussballclubs. Auch haben ethnische Gruppen wie die Indios, die von 5 Millionen auf 300'000 dezimiert wurden, den Samba als Identifikationsstifter entdeckt. Mit ihrer Musik, ihren Tänzen und ihrer Sprache grenzen sie sich ab, heutzutage von der Mehrheit, im Zeitalter der Kolonisierung von den weißen Unterdrückern. Dort liegen die Wurzeln des Samba, der von Indios und schwarzen Sklaven geschaffen wurde und auch rituelle Funktionen erhielt.

Besonders erfreulich ist, dass trotz der manchmal erdrückenden Informationsdichte viele Musikstücke ausführlich gespielt werden. Die sympathische Stimme des Regisseurs, der seinen Kommentar selbst auf Deutsch spricht, führt uns durch die wunderbaren Bildern von Musik- und Tanzgruppen. Unverhohlen erotische Liedtexte, schöne Menschen und der unglaubliche Erfindungsreichtum lassen uns das Kaleidoskop dieser vielschichtigen, lebensprallen Kultur genießen.

23.07.2003

3.5

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