Osama Afghanistan, Iran, Irland, Japan, Niederlande 2003 – 82min.
Filmkritik
Die subtilen Regeln des Terrors
"Osama" ist der erste Spielfilm, der nach dem Fall des Taliban-Regimes von einem Afghanen in Afghanistan realisierte wurde. Er schildert eindrücklich das subtile Funktionieren des Terrors, den das afghanische VolkJahre lang zu erdulden hatte.
"Ach, hätte mir Gott doch einen Sohn statt einer Tochter geschenkt!" klagt die Mutter. Ihr Mann ist im Kampf gegen die Taliban gefallen. Ihr Bruder wurde von den Russen erschossen. Ihr Vater ist ebenfalls tot. Ohne Männer aber ist für die aus Grossmutter, Mutter und halbwüchsiger Tochter bestehende Familie zur Zeit des Taliban-Regimes das Überleben kaum möglich: Da es den Frauen verboten ist, sich ohne Begleitung eines männlichen Verwandten in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist die Familie faktisch im eigenen Haus gefangen.
Überzeugt, dass "die Menschen glauben, was sie sehen" und im Wissen darum, dass "Männer und Frauen gleich sind" schneidet die Oma ihrer Enkelin eines Nachts im Schlaf das Haar. Fortan trägt das Mädchen auf der Strasse die Kleider eines Mannes und nennt sich Osama. "Osama" findet bald einen Job in der Milchküche eines Freundes seines Vaters, muss als Junge aber auch die Schule besuchen und an den religiösen Riten der Männer teilnehmen. Obwohl ausser der Familie einzig der Milchmann und der Strassenbub Espandi um Osamas Geheimnis wissen und die beiden das Mädchen auf der Expedition in die Männerwelt bestmöglich beschützen, wird die Gefahr, entdeckt zu werden, täglich grösser.
Die Schauspieler in "Osama" sind, inklusive der 1991 geborenen Hauptdarstellerin Marina Golbahari, Laien. Finanziert wurde der Film mit Unterstützung des iranischen Filmemachers Mohsen Makhmalbaf und Co-Produzenten aus Japan und Irland. Protagonist ist, wie in vielen Filmen über das Leben in von der Zensur reglementierten Kulturen, ein Kind, durch dessen unschuldigen Blick dem Regisseur die unvoreingenommene Beobachtung auch ungeheuerlichster Vorgänge möglich wird.
So schildert Regisseur Siddiq Barmak in subtil-poetischen Bildern, wie sich ein einst hoch gebildetes und inEinklang mit seinen Traditionen lebendes Volk unter physischem und psychischem Terror eines extremistischen Regimes duckt. Er vermeidet dabei jegliche Schwarz-Weiss-Malerei und zeigt, wie nebst den Frauen auch die Männer vom System unterdrückt und instrumentalisiert werden.
Kompromisslos endet die Erzählung mit dem tief symbolischen Bild von Osama, die, eben geschlechtsreif geworden, von einem Mullah geehelicht wird und von diesem ein riesiges Schloss geschenkt kriegt, das ihr den Weg in dieZukunft verschliesst. "Osama" ist ein packender und tief verstörender Film, der eindrücklicher als alle Zeitungsmeldungen und TV-News von den Schrecken erzählt, welche Afghanistan unter dem Regime der Taliban erleiden musste.
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