Pas sur la bouche Frankreich, Schweiz 2003 – 115min.
Filmkritik
Müder Musical Schwank
Operetten waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine beliebte Zerstreuung. Altmeister Alain Resnais folgt mit "Pas sur la bouche" dem Muster seines Singspiels "On connaît la chanson" von 1997 und ertränkt den in den zwanziger Jahren angesiedelten Liebesreigen in der eigenen Bedeutungslosigkeit.
Die reife Gilbèrte (Sabine Azèma) ist seit mehreren Jahren mit dem wohlhabenden Industriellen Georges (Pierre Arditi) verheiratet, lässt sich aber gerne mal auf eine Zäukelei ein. Georges, von der Treue seiner Frau überzeugt, ist gerade damit beschäftigt den grossen Reibach durch ein Geschäft mit dem amerikanischen Eric Thomson (Lambert Wilson) zu machen. Ahnt dabei jedoch nicht, dass er, sehr zur Verwirrung seiner Frau, ihren geheim gehaltenen ersten Ehemann zu sich nach Hause eingeladen hat. Derweil umgarnt der junge, gutaussehende und etwas einfältige Künstler Charley (Jalil Lespert) Gilbèrte, nicht wissend, dass die schöne Huguette (Audrey Tautou) hilflos in ihn verliebt ist.
Aufgrund dieser Ausgangslagen entsteht ein Ringelreihen innerhalb dieser Gruppe von Gelegenheitsbesuchern und Gönnern des wilden Pariser (Künstler-)Lebens der 20er Jahre, das sich bis zum Schluss sehr vorhersehbar um sich selbst gedreht hat. Alain Resnais, der mit "Hiroshima mon amour" und "L'année dernière à Marienbad" Liebes- und Gesellschaftsverwirrungen im französischen Kino der 50er und 60er Jahre aufzeigte, schlendert diesmal etwas verkrampft durch die Welt der Pariser Noblesse im Zeitalter des Jazz.
Stellenweise versteht es das flockige Musical, ein paar galante Momente aufzubringen, bleibt jedoch was Romantik, Dramatik oder sogar Komik anbelangt überraschend tonlos. Die Lieder, deren Wortspiele im Original die frankophonen Zuschauer beglücken werden, sind gut gemeint, fügen jedoch kaum etwas zum Tempo oder der Figurenzeichnung hinzu. Das Ensemble ist gut getroffen, und Isabelle Nanty, welche die ewig unverheiratete Schwester Azémas spielt, erweist sich sich wie schon als unglücklich Liebesuchende Bardame in Jean-Pierre Jeunets "Amélie de Montmartre" als Szenendiebin. Damit schneidet sie bedeutend besser ab als "Amélie"-Protagonistin Audrey Tautou, die mit ihrer Präsenz hübsch anzuschauen ist, aber auch etwas fehl am Platz wirkt.
Eingehüllt in die Studiokulisse, welche dem Film den eigenen Charakter verleiht und fester Bestandteil einer solchen Inszenierung ist, springen die Funken hier nicht über. Baz Luhrmanns "Moulin Rouge" verstand es (natürlich unter Mithilfe eines weit grösseren Budgets) diesen Rahmen des Künstlichen zu sprengen und dem Musical ein frisches und bedeutend zeitgemässeres Flair zu geben.
Resnais Operetten-Film will sicher keine Pop-Opera sein, sondern versteht sich wohl als romantischer Erinnerungsbogen des Regisseurs. Er verfehlt jedoch die Wirkung, den Zuschauer an jene Epoche zu binden, in die Resnais hineingeboren wurde. Die Story könnte genauso gut heute angesiedelt sein, die Vordergründigkeit dieser simplen Burleske bleibt bestehen. Und trifft Resnais mit Erfahrung, Routine und Menschenkenntniss auch zeitweise den Nagel auf den Kopf, ist "Pas sur la Bouche" letztlich doch allzu disharmonisch.
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