Ferkels grosses Abenteuer USA 2003 – 75min.
Filmkritik
Heldentaten eines Ferkels
Auf zu neuen Abenteuern im Hundert-Morgen-Wald: Mit "Piglet's Big Movie" legen die Walt Disney Studios einen Zeichentrickfilm klassischer Machart vor. Bloss schade, dass die neuerliche Adaption des Stoffs von A.A. Milne nicht nostalgischer geraten ist.
Typisch Winnie-the-Pooh. Auf den Honig ist der Bär gekommen. Zusammen mit Tigger, Rabbit und Eeyore will er die Bienen aus ihrer Behausung locken, in einen eigenfabrizierten Korb lotsen und sich hernach über das süsse Gold hermachen. Einfacher geplant als getan, denn dummerweise spielen die Bienen nicht mit: Sie wetzen ihre Stachel zum Angriff und machen ihrerseits Jagd auf die dreiste Räuberschar. Flugs droht die Finte zum Fiasko zu geraten, wäre da nicht das Schweinchen Piglet, das in letzter Sekunde das Blatt zum Guten wendet. Doch das scheint niemand bemerkt zu haben: Pooh und Co. suhlen sich im honigklebrigen Bade, ganz so, als sei es ihnen selbst zu verdanken. Enttäuscht zieht das Ferkel von dannen, tief hinein in den Hundert-Morgen-Wald.
Soweit der bittersüsse Auftakt zu "Piglet's Big Movie", dem neusten Disney-Trickfilm nach den Geschichten von A.A. Milne und den Illustrationen von E.K. Shepard. Aus diesem Fundus, um nicht zu sagen Honigtopf, schöpft der Disney Konzern seit nunmehr vier Jahrzehnten mit beträchtlichem kommerziellem Erfolg, aber zum Groll manch eines Puristen. Den oft gehörten Vorwurf, Disney würde das Original auf Kosten seines skurrilen, englischen Charmes weichzeichnen, kann "Piglet's Big Movie" nicht völlig entkräften, doch hält sich die Zuckrigkeit zum Glück in Grenzen.
Im Gegensatz zur plakativen Aufgeregtheit, die den zeitgenössischen Animationsfilm beherrscht, gibt sich "Piglet's Big Movie" bewusst altmodisch. Keine hyperanimierte Action oder Gags à gogo werden geboten, sondern eine Underdog-Story von wohltuender Schlichtheit. Genau genommen sind es drei Episoden, die, in eine Rahmenhandlung verpackt, eins kundtun: Piglet, das kleinste und unscheinbarste Mitglied der Pooh-Clique, ist in Tat und Wahrheit ein heroisches Säuli und obendrein noch ein guter Freund. Und so begeben sich Pooh, Tigger, Eeyore und Rabbit auf die Suche nach ihrem Kumpanen, den sie ach so sträflich vernachlässigt haben.
Heimlicher Star des Streifens und eine Figur von wahrhaft tragikomischen Format ist Eeyore (Stimme: Peter Cullen). Allein für die Szene, in welcher der Esel am Flussufer baumelt und seinen Schwanz dem übermütigen (Känga-)Rooh zur Rettung ins Wasser entgegenreckt, hat sich das schaurig-traurige Tier einen Platz im Pantheon des Zeichentricks verdient.
Als Methusalem des Winnie-the-Pooh Casts darf wiederum John Fiedler gelten: Der 78-jährige Schauspieler verleiht Piglet bereits seit 1968 ("Winnie-the-Pooh and the Blustery Day") dessen quäkende Jungbubenstimme. Umso befremdlicher ist, dass man auf einen wohlklingenden Erzähler in der Tradition eines Sebastian Cabbot ("Winnie the Pooh and the Honey Tree") oder John Hurt ("The Tigger Movie") verzichtet hat. Nur ein schwaches Echo solchen Märchenonkelcharmes ist Carly Simon mit ihrem Folkpopsingsang. Dass die Chanteuse im Abspann auch noch grossformatig an ihrer Gitarre rumzupfen muss, ist so fehl am Platz wie eine LAN-Party in Christopher Robins Spielzimmer.
"Piglet's Big Movie" ist kein grosser Film. Das Disney-Werk überzeugt aber durch seine einfache Machart, die dem Geist der A.A. Milne-Vorlage entspricht. Zu sehen gibt es ein routiniert gezeichnetes, keimfreies Märchen, das den allerjüngsten Kinogängern bestimmt zusagen wird. Darauf würde Winnie-the-Pooh seinen letzten Honigtopf verwetten.
Dein Film-Rating
Kommentare
Frechheit, dass der Film nur auf Deutsch gezeigt wird... Und das nur am Nachmittag.
Es gibt auch Berufstätige Kinogänger!
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 21 Jahren
Schweisse!
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