Stupeur et tremblements Frankreich, Japan 2003 – 107min.
Filmkritik
Japan ist, wenn man trotzdem lacht
Ja, ja, Japan... da will frau hoch hinaus und endet als Kloputze. Alain Corneau hat den autobiographischen Roman der Belgierin Amélie Nothomb verfilmt. Eine ganz und gar nicht lustige Geschichte - aber trotzdem zum Lachen.
Gesetzt, Sofia Coppola's wunderbare Komödie "Lost in Translation" habe einen Japan-Reiseboom ausgelöst, den gai-jin aus aller Welt vor Augen geführt, was für ein herrlich verschrobenes Land dieses Japan doch ist und wie herrlich verschroben erst seine Bewohner, dann ist "Stupeur et tremblements" allerbeste Arznei gegen allzu akutes Reisefieber. Und vor allem Warnung vor einem Job in einer japanischen Firma.
Während Witz und Wahrheit bei Sofia Coppola darin liegen, dass ihre Protagonisten in gewisser Weise gar nie ganz in Japan sind, sondern vornehmlich in der Sicherheitszone Luxus-Hotel, so stösst Amélie in Alain Corneau's Realsatire - einer äusserst präzisen Verfilmung des preisgekrönten autobiographischen Romans von Amélie Nothomb - mitten ins Herz des so intimen japanischen Raumes. Er wird ihr zur Hölle auf Erden.
Amélie (Sylvie Testud), aufgewachsen in Belgien, fatal geschlagen aber mit der Erinnerung an glückliche Krabbeljahre in Japan, mittlerweile studiert und beneidenswert stark in Japanisch, verdingt sich für zwölf Monate an eine japanische Riesenfirma. Was beim Vorstellungssgespräch nach toller Stelle getönt haben mag, entpuppt sich rasch als Albtraum erster Güte. Die hoch qualifizierte junge Frau darf den Herrschaften den Tee servieren, ihre Kalender nachstellen, Buchhalterin spielen, Spesen abrechnen - und zum Schluss noch Klos putzen.
In "Stupeur et tremblements" kollidieren japanische Unternehmenskultur - eine Mischung aus hierarchischem Sadismus, zwanghafter Routine und einer grandiosen Beamten-Mentalität - mit dem Wollen einer Fremden, Blonden und vor allem Frau, die sich partout nicht an die Regeln halten will, die in der hochkodifizierten japanischen Welt befolgt sein wollen. Wie zum Teufel, so fragt man sich beständig, kann man sich das alles antun? Wie kann man so viel wissen von japanischer Etikette und sich trotzdem so bescheuert daneben benehmen? Und wie hat es ein Land, dessen Arbeitsmoral der seligen DDR abgeschaut scheint, in einem halben Jahrhundert vom Bauernstaat zum "global player" gebracht?
"Stupeur et tremblements" ist ein Beitrag zum Mode-Thema "Clash of the Cultures", gerät mit zunehmender Dauer aber immer stärker zur leichtfüssig erzählten psychologischen Studie eines masochistischen Charakters. Corneau bleibt wie Nothomb im besten Sinne oberflächlich, versucht alles andere als ein Stück politisch korrekter Verständigungsarbeit. "Stupeur et tremblements" ist ein absurdes Theater, streng gebaut nach dem Prinzip der Wiederholung, die stets Verschärfung meint. Entkommen ist nicht. Nur Lachen.
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