Filmkritik
Glück im Unglück
Ein Tag im Leben von Kubas Hauptstadt, Bilder ohne Worte, eine Handvoll Menschen, Gesten, Geräusche und Musik. Tönt schön, das neue Werk des kubanischen Wunderknaben Fernando Pérez. Schön ist es auch - ein Gedicht von Film. Und genau da liegt das Problem.
Es gibt eine Sorte Film, die sich gerne antut, wer ein poetisches Gemüt hat, die leisen Töne dem Getöse der Welt vorzieht, wer den Gegenzauber liebt. Solche Menschen sorgen dafür, dass Filme wie "La vida es silbar", Fernando Pérez' letzter, im kalten Westeuropa zu Kassenschlagern werden. Ihre Gesichter wird auch ein Lächeln zieren, wenn sie sich der "Suite Habana", Pérez' neuem Opus, hingeben.
Ein schönes Stück ist es zweifellos, dieser eigenthümliche Zwitter aus Dokumentarfilm und Gedicht, der einen Tag im Leben einiger Kubaner schildert, wahre Geschichtchen verflicht von Menschen wie nicht-du und nicht-ich, die ihr Leben im verfallenen Havanna nicht bloss fristen, obgleich sie allen Grund dazu hätten - arm, wie sie sind, einsam oder behindert, ohne Arbeit, wenigstens keiner rechten. Und trotzdem leben sie noch, zwar nicht hurra, aber irgendwie glücklich und zufrieden und jeder mit einem Traum.
Glück und Liebe in den Ruinen von Havanna: Alles gut und recht, schön gefilmt und gefällig beschallt durch Edesio Alejandro. Und dennoch gefällt es nicht - und zwar gerade deshalb. Es mag problematisch sein, einem Dokumentarfilm, der auf Poesie macht, seinen Mangel an Wirklichkeitssinn anzukreiden - getan sein will es dennoch.
"Suite Habana" schauen hat viel gemein mit dem Durchblättern eines Hochglanz-Prospekts, und zwar in einem Ryhthmus, wo man immer mitmuss, aber eben lieber nicht will. Da werden Geschichten angerissen, die nach Einhalt gebieten, weil sie Fragen aufwerfen nach den real existierenden politischen Zusammenhängen. Wir sind ja immerhin in Kuba, und auf Fidels Inselreich werden immer noch Journalisten verhaftet - einfach so, versteht sich. Frage also, nur zum Beispiel: Seit wann kann einer in Havanna einfach das Flugzeug besteigen und zack zum Klassenfeind nach Amerika rüberjetten, während andere Kubaner auf selbstgebastelten Flossen ihr Leben riskieren? Dass der Glückliche sich verliebt hat, wie sich später herausstellt, ist als Antwort dann doch ein bisschen dürftig.
Aber vielleicht darf man von Fernando Pérez keine Antworten erwarten, wie wir sie uns wünschen, gerade weil sich in Kuba manches nicht so einfach sagen lässt. Gerade dieser Umstand begründet möglicherweise das fast naiv anmutende Zuviel an poetischer Bildlichkeit mit und erklärt den Umstand, dass im ganzen Film kein Wort gesprochen wird. Es sprechen die Bilder, der Rest ist Schweigen. "Suite Habana" wird übrigens auch ins Oscar-Rennen geschickt: In der Kategorie bester fremdsprachiger Film.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung