Der Mann, der kopierte Brasilien 2003 – 124min.
Filmkritik
Brasilianische Betrügereien
Liebesgeschichte, Thriller, Animationsfilm: "O homem que copiava" ist ein wahres Potpourri. Das ist oft charmant, kann aber auch ermüdend und unentschlossen wirken.
Nach dem fulminanten "Cidade de deus" macht das brasilianische Kino mit einem ungleich leichtherzigeren Film von sich zu sprechen. Auch wenn in "O homem que copiava" ("The Man Who Copied") die Protagonisten allesamt arm sind, und auch wenn am Schluss ein paar Leichen ihren Weg pflastern: Sie scheinen einen wesentlich entspannteren, wohl auch distanzierteren Blick auf ihr eigenes Leben zu haben als die Jungs der Favelas, die sich für Drogen totballerten.
Der 19-jährige André (Lázaro Ramos) erzählt uns über (zu) exzessive Voice-over seine Geschichte: Er fotokopiert den ganzen Tag in einer Papeterie und kann mit dem mickrigen Lohn knapp überleben, indem er noch bei seiner Mutter wohnt. Ein Jahr hat André auf ein Fernrohr gespart, eine für ihn lohnende Investition: Jeden Abend beobachtet er damit die junge Verkäuferin Silvia (Leandra Leal), und eines Tages auch ihren ebenfalls spannernden Vater. Ein Lichtblick ist ihm aber auch seine stets sexy gekleidete Mitarbeiterin Marines (Luana Piovani), deren Verehrer Cardoso (Pedro Cardoso) nach anfänglichen Rivalitäten zum Freund und schliesslich zum Komplizen wird. Um Silvia näher zu kommen, will André ihr einen Morgenmantel abkaufen, doch woher das Geld nehmen? Der "Mann, der Kopien anfertigt", muss natürlich nicht lange suchen. Was als Bubenstreich beginnt, weitet sich allerdings zu handfester Geldfälscherei und Banküberfall aus.
Dass trotz der inhaltlichen Tragik Andrés Geschichte leicht wirkt, hat mit seiner Sicht zu tun (die manchmal als Alternative zum "realen Geschehen" gezeigt wird). Wie er bei der Arbeit von allem etwas mitbekommt, von jeder kopierten Seite einige Zeilen, nichts aber richtig, so bleibt er auch in seinem Leben an der Oberfläche der Dinge und der Menschen. Er zeichnet ein wenig, betrügt ein bisschen, fühlt sich von Marines erotisch angezogen, aber projiziert die Liebe in Silvia, hintergeht einen Freund und beschenkt einen anderen.
Wie sein Protagonist scheint auch der Regisseur Jorge Furtado in seinem zweiten Langspielfilm dem Kopieren verfallen zu sein. Mit dem Voyeurismus und dem damit verbundenen Entdecken von Geheimnissen klingt Hitchcocks "Rear Window" an, was aber nirgends hinführt, und Andrés Zeichnungen verwandeln sich in Animationssequenzen mit Simpsons-Anleihen, die zum Beispiel vom verschwundenen Vater erzählen.
Das lockert zwar auf, schadet aber oft dem Rhythmus der Erzählung. Nicht alle können mit Zitaten so spannend Neues schaffen wie Quentin Tarantino, und das Mischen von Genres stellt hohe Forderungen an die Dramaturgie. "O homem que copiava" wirkt unausgegoren, ja etwas beliebig. Dass André schliesslich trotz aller Drehbuchschwächen interessant bleibt, liegt am hervorragenden Schauspieler Lázaro Ramos, der sogar vergessen lässt, dass er während des Drehs doppelt so alt war wie die von ihm verkörperte Figur.
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