Zwischen Brüdern Dänemark 2004 – 110min.

Filmkritik

Schicksalsschläge

Jörg Hüssy
Filmkritik: Jörg Hüssy

Die dänische Regisseurin Susanne Bier bleibt sich treu. Erneut zeigt sie die Auswirkungen, die Schicksalsschläge auf einen privaten, familiären Kontext haben können. Nachdem im Dogmafilm «Open Hearts» ein Verkehrsunfall eine junge Liebe auf die Probe stellte, belastet nun in «Brothers - Brødre» ein vom Krieg traumatisierter Ehemann seine Vorzeigefamilie.

Der Zuschauer wird mit zwei konträr charakterisierten Brüdern konfrontiert. Michael (Ulrich Thomsen) ist mit allen Attributen eines aufstrebenden Schaffers ausgestattet. Das fast fertiggestellte Eigenheim teilt er mit einer schönen, liebevollen Ehefrau und zwei aufgeweckten Töchtern. Er ist ein erfolgreicher Militär mit einnehmendem Äusseren. Jannik (Nikolaj Lie Kaas), der jüngere Bruder, kann da nicht mithalten. Dunkles ungekämmtes Haar, ungepflegter Bart und eine abgetragene Lederjacke unterstreichen sein Hängerimage. Im Leben hat er nichts zustande gebracht. Sein letzter Fehlschlag war ein misslungener Banküberfall.

Der Film setzt ein, als Jannik - eben aus dem Gefängnis entlassen - von seinem Bruder zu einer Familienzusammenkunft chauffiert wird. Anlass ist die Verabschiedung Michaels, der nach Afghanistan abkommandiert wurde. Im Kriegsgebiet angekommen, wird gleich beim ersten Erkundungsflug sein Hubschrauber vom Himmel geholt. Michael gilt als tot. Zu Hause in Dänemark wird Trauerarbeit geleistet. Es findet eine sanfte Annäherung zwischen Jannik und der verwaisten Familie statt. Der Versager macht sich nützlich und lernt, Verantwortung zu tragen.

Der Film ist in der Thematisierung der Gewalt, die vom Krieg kommend Einzug in den familiären Kontext hält, mutig und mutet dem Zuschauer viel zu. Wem die ungeschönten, dunklen Seiten menschlichen Handelns zu sehr auf das Gemüt schlagen können, der sollte von einem Kinobesuch absehen. So viel sei verraten: Der offene Schluss ist hoffnungsvoll. Susanne Bier versteht es, die menschlichen Abgründe mit gut dosiertem Humor erträglich zu machen. Unerträglich sind jedoch die dramatisierenden Ethnoklänge des Soundtracks und die poetischen Bilder, die telepathische Ahnungen der Ehefrau wiedergeben sollen.

Das neuere dänische Filmschaffen konnte im Zug seines «Filmwunders» neben Regiegrössen auch Schauspieler über die Landesgrenzen bekannt machen. Biers Film verdankt seine Intensität einem hervorragenden Ensemble, das von den beiden renommierten HauptdarstellerInnen Ulrich Thomsen und Connie Nielsen (als Ehefrau) angeführt wird, die am internationalen Filmfestival in San Sebastian als «Bester Darsteller» bzw. «Beste Darstellerin» ausgezeichnet wurden. Der Film kam überhaupt gut an Festivals an und erhielt auch den "World Cinema Dramatic Audience Award" am Sundance Filmfestival.

10.11.2020

4

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Kommentare

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steinepa

vor 14 Jahren

Extrem berührend, bestimmt sehr nahe der Realität, kein Hollywood Kitsch etc. Leider ist das Thema momentan extrem in und hoffe, dass die Amis es damit aber einfach nicht übertreiben.


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