Fahrenheit 9/11 USA 2004 – 122min.

Filmkritik

Der grosse Manipulator

Björn Schäffner
Filmkritik: Björn Schäffner

Er sieht dem Leinwandhelden "Shrek" nicht unähnlich, nimmt kein Blatt vors Maul und trägt unentwegt eine Baseballmütze: Der Filmemacher Michael Moore möchte mit "Fahrenheit 9/11" nur allzu gern die politische Nemesis von US-Präsident George W. Bush werden.

Michael Moore meint es ernst. Der Filmer ("Bowling for Columbine") hat sich zum Ziel gesetzt, im Herbst die Abwahl des US-Präsidenten herbeizuführen. Würde man ein solches Ansinnen normalerweise als Donquichotterie belächeln, stehen Moores Chancen tatsächlich nicht schlecht: nach einem beispiellosen Medienrummel - erst das Gerangel zwischen Miramax und Disney um die Verleihrechte, dann die Goldene Palme in Cannes - lockt Moores Film "Fahrenheit 9/11" Scharen von Wahlberechtigten ins Kino und scheint dabei wie geschaffen zu sein, die amerikanischen Massen gegen Bush zu mobilisieren.

Mit bereits über 100 Millionen Dollar Einnahmen ist das politische Projekt des Kino-Robin-Hoods auch ein finanziell überaus einträgliches. Dies wird vor allem daran liegen, dass Moore keine trockene Akademiker-Kost, sondern vor allem eins bietet: Unterhaltung pur. Vom Agitator aus dem US-Bundesstaat Michigan ist kein politisches Cinema Verité zu erwarten; dafür sitzt Moore der satirische Stachel viel zu locker.

Zackzack bringt Moore seine Maschinerie in Fahrt: Ins Bild gezerrt werden Versäumnisse und dunkle Ränkespiele der US-Regierung im Nachgang zum 11. September. Der Krieg gegen den Terror? Die Massenvernichtungswaffen im Irak? Erstunken und erlogen, um das amerikanische Volk bei Stange zu halten und die Pfründe der Wirtschaftselite zu sichern. "Fahrenheit 9/11" zeigt George W. Bush als einen Jammerlappen, dem die Verbesserung des eigenen Golf-Spiels mehr am Herzen liegt als das Wohl seiner Landsleute.

Geschickt operiert Moore mit hochemotionalen Einstellungen: Wir sehen den fröhlichen Alltag einer irakischen Familie, nur um Augenblicke später mit Bomben, Tränen und Wehklagen konfrontiert zu werden. Die Katastrophe beim World Trade Center setzt Moore mit einem Kniff in Szene, wie sie ähnlich eindrücklich bereits der Künstler Art Spiegelman auf dem Titelblatt des "New Yorker" vorgeführt hat: Zeigte Spiegelman die Twin Tower als bedrohliche Schatten auf dunkelblauem Hintergrund, lässt uns Moore auf eine schwarze Leinwand starren. Zu hören sind nur die entsetzten Ausrufe der New Yorker: Der Soundtrack des Schreckens obsiegt, die Bilder sind verstummt.

Wie ernst hat es Michael Moore mit der Faktentreue genommen? Politische Kommentatoren sind sich darin einig, dass die Fakten zwar korrekt sind, diese aber oft in fragwürdigen Zusammenhängen genannt werden. Der Mann mit der Mütze präsentiert die Wahrheit so, wie sie seinen - und letzlich wohl auch unseren - Zwecken zu Dienste ist. Dabei scheint Moore das Metier der Manipulation ebenso gut zu verstehen, wie jene, die er zu Fall bringen will.

Natürlich regt sich innerhalb der konservativen Reihen Widerstand. Seit Wochen schon figuriert ein Buch namens "Michael Moore is a Stupid Big White Man" auf den amerikanischen Bestsellerlisten. Und nun hat auch die eigene Gilde Moore als Zielscheibe entdeckt: Der junge Filmemacher Mike Wilson versucht in seinem Dokumentarfilm "Michael Moore hates America" vergeblich, dem Filmemacher beizukommen, respektive ihn ins Bild zu bekommen. Dabei spielt Wilson ziemlich unverhohlen auf Michael Moores Film "Roger and Me" an: Dort wollte es Moore einfach nicht gelingen, den damaligen CEO von General Motors, Roger Smith, vor die Kamera zu kriegen.

30.05.2024

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

Urs23

vor 13 Jahren

Interessant... natürlich sehr polemisch.


ragozzinosilvia

vor 20 Jahren

packend weil es uns alle betrifft


mronner

vor 20 Jahren

na ja, unterhaltsam war's auf alle fälle, aber für den doku hat's mir da dann doch zu wenig fleisch am knochen.

der film zeigt nur die eine seite der medaille, und diese auch nur schlecht ausgeleuchtet. der unterhaltungswert stand wohl im vordergrund. womit man dieses werk nicht mehr wirklich als doku bezeichnen kann. immerhin, die eine oder andere these hört sich interessant an.

fazit:
mitdenken und nicht alles für bare münze nehmen ist angebracht. diese doku kommt aus den staaten...Mehr anzeigen


Mehr Filmkritiken

Gladiator II

Red One - Alarmstufe Weihnachten

Venom: The Last Dance

Typisch Emil