Filmkritik
Ein Film wie ein Bilderbuch
Im Alltag gefangene, wortkarge Figuren - zu Recht wird der uruguayanische Film "Whisky" mit Werken des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki verglichen.
"Whisky" funktioniert wie ein Bilderbuch für Kinder: Auf jeder Seite eine grosse Zeichnung, darunter wenige Sätze. So sieht Juan Pablo Rebella, der zusammen mit Pablo Stoll Regie führte, seinen Film. Tatsächlich sind Dialoge spärlich eingesetzt, und die Geschichte entfaltet sich ganz aus den Bildern, aus den alltäglichen Routinehandlungen der Figuren: Jeder Tag beginnt für Jacobo (Andrés Pazos), den Besitzer einer heruntergekommenen Sockenfabrik und Marta, seine Angestellte (Mirella Pascual) auf dieselbe Art. Er öffnet das Tor, setzt die Maschinen in Betrieb, während sie sich umkleidet und ihrem Chef einen Tee zubereitet. Weder zufrieden noch unglücklich scheinen die beiden dabei - sie verrichten ihre Arbeit mit ernster Miene, nahezu ausdruckslos. Gesprochen wird nur das Nötigste, und meist sind es immer dieselben Floskeln.
Doch eines Tages kündigt Jacobos Bruder seinen Besuch an: Herman ist erfolgreicher Inhaber einer Strumpffabrik in Brasilien und glücklicher Familienvater. Stolz wie Jacobo ist, verheimlicht er seinem Bruder, dass er seit dem Tod der Mutter allein lebt und sein Unternehmen weniger rentiert. Deshalb soll Marta sich als seine Ehefrau ausgeben.
Mit einem kleinen Ausbruch aus dem Alltag - Herman lädt das vermeintliche Paar zu einer Reise ans Meer ein - öffnet sich plötzlich eine Tür, die die Möglichkeit zur Veränderung böte. Allmählich taut die introvertierte Marta etwas auf. Und ist Jacobo für sie nicht mehr als nur ein Arbeitgeber?
Der ruhige Fluss des Films resultiert nicht allein aus der Reduktion auf wenige Figuren, dem zurückhaltenden Schauspielstil und den knappen Dialogen, sondern auch aus der Statik der Kamera und der niedrigen Schnittfrequenz: So werden Martas und Jacobos Gesichter eher angeschnitten eingefangen, als dass das Problem der ungleichen Körpergrösse der Schauspieler mittels eines Schwenks oder eines Schnitts gelöst wird.
Dramatische oder verblüffende Wendepunkte sind hier nicht massgebend. Dass es dem Film dennoch gelingt, die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen, geschieht durch genauste Beobachtungen des Alltags. Und er spielt mit dem Wunsch der Zuschauer, dass sich doch etwas in den Herzen der Figuren regen möge: Bei der Verschlossenheit der Protagonisten ist es schwierig, Gefühle ausfindig zu machen. Umso konzentrierter sucht man in den Gesichtern nach Hinweisen, und daraus entwickelt der Film einen Teil seiner Spannung: Da wird die kleinste mimische Veränderung zur Überraschung, etwa wenn Jacobo seinen Bruder in einem unbeobachteten Moment nachäfft, oder wenn während eines Fussballspiels sein Hass auf ihn herausbricht.
Mit "Whisky" ist ein wohltuend stiller Film entstanden, der vieles bis zum Schluss unausgesprochen lässt - und den Zuschauer mit einem Funken Hoffnung zurücklässt.
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Kommentare
Purer Alltag, wenig Worte, wenig Aktion aber es ist alles klar. Man könnte aufstehen und Jacobo wachrütteln.
tut gut so ein Film.
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