Capote Kanada, USA 2005 – 98min.

Filmkritik

Die Truman-Show

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Bennett Millers Kino-Erstling ist kein Bückling vor einem der ersten Popstars der Literatur-Geschichte, sondern ein Making Of von dessen gewichtigstem Roman. Ein starkes Stück, nicht nur dank Philip Seymour Hoffman.

Die Auslöschung einer Farmerfamilie in Holcomb, Kansas wäre eine Fussnote der amerikanischen Kriminalistik geblieben, hätte nicht Truman Capote - spätestens seit "Breakfast at Tiffany's" ein schreibender Superstar seiner Zeit - den Stoff zu einem Roman veredelt, der als erste "Non-Fiction Novel" zu einem Meilenstein der Literatur-Geschichte wurde. "In Cold Blood", 1966 erschienen, kurz nach der Hinrichtung der beiden Mörder, war das vielstimmige Resultat unzähliger Befragungen aller irgendwie Beteiligten, eine Sensation und für Capote ein Kraftakt, von dem er sich nie wieder erholen sollte.

Bennett Millers "Capote" nun ist gleichsam das Making Of von "In Cold Blood", eine Rekonstruktion der Entstehungs-Geschichte dieses epochalen Tatsachen-Romans, ein Biopic, das sich auf die sechs Jahre beschränkt, die Capote mit dem Buch zubrachte. Der Film hebt an mit dem Urschrei der jungen Frau, die vor dem Kirchgang die Clutters entdeckt, erschossen für eine Handvoll Dollar, wie sich später herausstellt, als Truman Capote (Philip Seymour Hoffman) mit Harper Lee (Catherine Keener) längst in Holcomb eingetroffen ist und vor Ort die brutale Tat nachzuzeichnen sucht, für die es kein Motiv zu geben scheint.

Schöne Bilder: Herr Eitel aus New York, klein wie ein Tisch, tuntiger als Karl Lagerfeld, geschlagen mit dem näselnden Falsett eines Halbwüchsigen, gockelt durch das amerikanische Herzland - und nicht eine Türe bleibt ihm verschlossen; auch nicht die schwere des Todestrakts, in dessen Zellen die Mörder ihrem Ende entgegendämmern, wenn nicht gerade der Dichterstar hereinflattert, der sich vor allem für Perry Smith (Clifton Collins Jr.) interessiert. "Es ist, als ob wir im selben Haus aufgewachsen wären", sagt Capote einmal, "Perry hat es durch die Hintertüre verlassen, während ich vorne hinausging."

Capotes Identifikation mit Perry ist das eine grosse Thema in Millers erstem Spielfilm und die Voraussetzung für das andere, das wirklich grosse. Wie weit, so stellt sich im Verlaufe der fast zwei Stunden desto stärker die Frage, je augenfälliger wird, dass die Egozicke Capote seine Nähe zu Perry instrumentalisiert, weil sie ihm brisanteres Material garantiert, wie weit, fragt Miller also, darf ein Schriftsteller gehen? Darf Capote den mittellosen Angeklagten Anwälte finanzieren, um ihren Gang zum Strang hinauszuschieben, weil er noch immer nicht weiss, was genau in jener Mordnacht geschah? Darf er die Hinrichtung herbeisehnen, bloss weil sie auch sein Werk beendet? Oder besser gefragt: Wie kalt darf das Blut dessen sein, der "In Cold Blood" schreibt? - Ausser Frage steht, dass Philip Seymour Hoffman, der zum ersten Mal nicht einen ganzen Film lang in verwichsten Trainerhosen auf einer Bettkante sitzt, seinen Capote prima, sogenannt "oscar-würdig" draufhat. Sogar das nervöse Zucken der Nase soll nicht karikierend sein, sondern «genau so» gewesen, schreiben die, die Capote noch selbst erlebten. Kaum zu glauben.

19.02.2021

4

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 9 Jahren

Der Thriller ist grossartig! Man muss gut aufpassen, da vieles in einen Kontext passt. Die Spannung baut sich gut auf, es bleibt stets ruhig, es geht um reale Vorkommnisse und dem entstandenen Schock zur damaligen Zeit. Wie schafft es ein Schriftsteller wie Capote all dies in seinem Buch festzuhalten, wovon er das Ende noch nicht kennt?Mehr anzeigen


movie world filip

vor 13 Jahren

klasse hoffman in ein klasse film über truman capote, der schreiber mit die komische stimme, intelligente film


Gelöschter Nutzer

vor 17 Jahren

ein sehr guter und vor allem exellenter gespielter film! phillip seymour hofmann hat den oscar klar verdint


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