Filmkritik
Zähmung der Widerspenstigen
Rotzige Jugendliche auf der einen, bockige Pferde auf der anderen Seite. Während eines mehrtägigen Trekkings durchs Emmental treffen die beiden aufeinander; nähern sich vorsichtig, gewinnen langsam Vertrauen und werden schliesslich zu Verbündeten. Der Schweizer Dokumentarfilmer Frédéric Gonseth hat sie auf ihrer ungewöhnlichen Odyssee begleitet.
Vier Jungen aus einem Jugenderziehungsheim, die wegen ihrer "Gewaltbereitschaft" aus der regulären Schule ausgeschlossen wurden sowie zwei Betreuer sind die Protagonisten des Filmes von Frédéric Gonseth ("Mission en enfer"). Unter Anleitung eines "Pferdeflüsterers" lernen die anfangs sichtlich unmotivierten Jugendlichen nach und nach mit den Pferden zu kommunizieren und die Kontrolle über sie zu erlangen sowie ihren Raum zu verteidigen. Diese - nicht zuletzt auch seit Robert Redfords Hollywoodmärchen "The Horse Whisperer" - äusserst populäre und erfolgreiche Methode im Umgang mit aggressiven Pferden baut darauf auf, dass man den Tieren in ihrer eigenen Körpersprache entschlossen, aber niemals gewaltsam gegenübertritt. Die Parallelen zu den Jugendlichen liegen auf der Hand.
Dies ist vielleicht auch eine der Schwächen des Projektes oder des Filmes. Wenn in Interviews versucht wird, aus den Jugendlichen Einsichten herauszuquetschen, zu Gemeinsamkeiten zwischen dem Umgang mit Pferden und demjenigen mit Menschen, wirkt dies oft zu forciert. Viel eindrücklicher ist die plötzlich eintretende Stille und sichtbare Betroffenheit der vier Jungen, als der "Flüsterer" ihnen von den traurigen Schicksalen der Tiere erzählt: Pferde, die bereits fürs Schlachthaus bestimmt waren, als "straffällig" abgestempelt wurden. Wenn er davon spricht, wie die Pferde unter seelischen Verletzungen und Vertrauensbrüchen leiden würden, die nicht einfach so geheilt werden könnten, sieht man auf den nachdenklichen Gesichtern der Jugendlichen geradezu, wie sehr sie sich persönlich angesprochen fühlen.
Die Starrköpfigkeit der Pferde zwingt die Jungen dazu, ihre eigenen Macken zurück zu schrauben, gleichzeitig spürt man ihr Verständnis für den Freiheitsdrang der wilden Tiere. Das Gefühl von Kollegialität geht so weit, dass das Enfant terrible der Gruppe seinem Pferd nach verrichteter Arbeit einen Joint verspricht. Erfolgserlebnisse während der Arbeit mit dem Flüsterer und die wachsende Zuneigung der Pferde lassen das Selbstvertrauen der Jugendlichen in die Höhe schnellen; wie wichtig Anerkennung für diese jungen Menschen ist, wird hier eindrücklich sichtbar.
Schade, ist "Gros mots, petits sabots" von einem esoterisch-kitschigen Soundtrack unterlegt, der die Relevanz des Themas gelegentlich ins Sentimentale abdriften lässt. Auch den Off-Kommentar der Co-Regisseurin Catherine Azad wünschte man sich etwas weniger "poetisch" und gekünstelt. Ausgeglichen werden diese Missgriffe jedoch durch die erfrischenden und oftmals witzigen Ansichten der Jugendlichen.
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